Tödlicher Irrtum
immer der Kopf; Joe und ich haben die halbe Nacht davon gesprochen. Wirklich, hab ich gesagt, es ist wie im Kino. Zwei Jahre danach taucht der rettende Zeuge auf. Eigentlich sehr aufregend, finden Sie nicht?«
»In gewisser Weise…«, meinte Calgary, peinlich berührt.
»Ja, bestimmt, genauso läuft es immer in den Filmen – und dann sagt man immer, das ist ja alles Blödsinn, so was gibt es ja gar nicht im Leben, nicht? Da passiert so was nie, nicht? Und nun ist es doch geschehen! Man weiß gar nicht, was man dazu sagen soll, nicht?«
Maureen plauderte unbeirrt weiter.
»Aber der arme Clark ist tot, ihm kann’s nun nichts mehr nützen. Schrecklich! Er hat sich nämlich damals im Zuchthaus eine Lungenentzündung geholt, wahrscheinlich von der Feuchtigkeit. Ich war sehr traurig, aber dann dachte ich, vielleicht ist es am besten für ihn so – zu sterben, meine ich –, besser als Jahre und Jahre im Zuchthaus zu sitzen.«
»Ich kann gut verstehen, dass Sie es damals so empfunden haben.«
»Joe wollte, dass ich mich von Clark scheiden lasse. Welchen Sinn hat es, an einen Mann gebunden zu sein, der lebenslänglich im Zuchthaus sein wird, sagte er. Ich hatte Clark wirklich lieb, obgleich er immer furchtbar unzuverlässig war, und eigentlich war ich davon überzeugt, dass unsere Ehe eines Tages in die Brüche gehen würde.«
»Hatten Sie die Scheidung noch vor seinem Tod in die Wege geleitet?«
»Wie man’s nimmt; ich bin damals zu einem Rechtsanwalt gegangen, weil Joe darauf bestand. Er hat Clark niemals leiden können und ihn immer für einen schlechten Kerl gehalten, aber ich war ja noch ein halbes Kind und wusste nicht Bescheid. Jetzt bin ich natürlich besser dran. Joe hat eine gute Stellung beim Elektrizitätswerk, und ich bin im Odeon-Palast angestellt. Aber eines muss ich sagen, der arme Clark hat eine reizende Art gehabt…«
»Ja, das höre ich von allen Seiten«, bestätigte Calgary.
»Er hatte großen Erfolg bei Frauen, ich weiß eigentlich nicht, warum, denn er hat nicht einmal besonders gut ausgesehen. Ich hab ihn immer Äffchen genannt.
Einmal hat ihm sein Glück bei einer Frau sogar die Stellung gerettet. Es war kurz nach unserer Heirat. Clark arbeitete damals in einer Garage, und er hatte einen Riesenkrach mit dem Eigentümer – wegen Geld, das in der Kasse fehlte. Jedenfalls war der Chef furchtbar wütend, und dann hat Clark sich schnell an dessen Frau herangemacht. Sie war schon ziemlich alt, so um die fünfzig, aber Clark schmeichelte ihr und himmelte sie an, bis sie sich Hals über Kopf in ihn verliebte – danach hätte sie alles für ihn getan. Sie hat’s dann auch schließlich erreicht, dass ihr Mann versprach, Clark nicht zu verklagen, falls er das Geld zurückzahlte, aber natürlich hatte er keine Ahnung, dass sich Clark das Geld von seiner eigenen Frau verschafft hatte. Clark und ich haben uns heimlich ins Fäustchen gelacht.«
Calgary sah Maureen leicht angewidert an.
»Fanden Sie das so komisch?«
»Na und ob – irrsinnig komisch! So ‘ne alte Frau und so verrückt nach Clark, dass sie ihm ihre ganzen Ersparnisse gab!«
Calgary seufzte. Ereignisse und Menschen waren nie so, wie man sie sich vorgestellt hatte. Mit jedem Tag wurde ihm der Charakter des Mannes unsympathischer, dessen guten Namen er um jeden Preis wieder herzustellen versuchte. Er war nahe daran, die Einstellung und die Gefühle im Sonneneck zu verstehen und zu teilen.
»Ich bin nur deshalb zu Ihnen gekommen, weil ich hoffte, das Geschehene auf irgendeine Weise wieder gutmachen zu können, Mrs Clegg.«
Sie sah ihn erstaunt an.
»Das ist sehr nett von Ihnen«, erwiderte sie. »Aber was wollen Sie für uns tun? Uns geht’s nicht schlecht, wir sind ganz zufrieden.«
»Das freut mich aufrichtig. Es muss ein schwerer Schlag für Sie gewesen sein.«
Sie starrte ihn mit weitaufgerissenen blauen Augen verständnislos an.
»Hm – zuerst war es allerdings entsetzlich – das Gerede der Nachbarn, die dauernden Aufregungen –, aber eins muss ich sagen, die Polizei hat sich sehr nett und höflich benommen.«
Er fragte sich, ob sie jemals irgendwelche Gefühle für den Verstorbenen gehabt haben konnte. Dann sagte er ganz plötzlich und ohne Umschweife:
»Glauben Sie, dass er es getan hat?«
»Na ja – eigentlich hab ich’s vielleicht geglaubt. Er hat zwar behauptet, er hätte es nicht getan, aber man konnte sich ja nie auf ihn verlassen. Clark konnte nämlich ganz gemein werden, wenn man sich ihm
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