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Toedlicher Irrtum

Toedlicher Irrtum

Titel: Toedlicher Irrtum Kostenlos Bücher Online Lesen
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Glatze.
    Er war fast einsfünfundneunzig groß und fast schon zu stämmig. Dennoch präsentierte er sich würdevoll in einem grauen Anzug mit blau-weiß gestreifter Krawatte und bewegte sich mit einem Selbstvertrauen und einer Grazie, die vielen Männern dieser Größe fehlten. Er trug einen kräftigen, aber sauber gestutzten Schnurrbart unter der leicht gekrümmten Nase und weit auseinander stehende, teilnahmsvolle dunklen Augen.
    Automatisch streckte ihnen der große Mann die Hand entgegen. Seine Stimme war weich, und er sprach mit einem sanften Tonfall, beinahe flüsternd. »Dustin Black – die Herren sind von der Polizei?«
    Brass schüttelte Black die Hand, aber er machte es kurz. »Ich bin Captain Brass, und das ist Doktor Gil Grissom, unser bester Kriminalist.«
    »Das klingt beeindruckend«, verkündete Black mit einstudiertem Lächeln. »Nett, Sie kennen zu lernen, meine Herren.« Der Bestatter wandte sich an Grissom und gab auch ihm die Hand. »Ich bin ein großer Bewunderer Ihrer Arbeit. Ich gehöre sogar der Hilfstruppe des Sheriffs an.«
    »Großartig«, entgegnete Grissom mit gezwungenem Lächeln, während er sich im Stillen fragte, warum ihn Bestatter immer an Geistliche – oder Politiker – erinnerten. Dieser allerdings erinnerte ihn gleich an beide Berufsgruppen.
    »Ich hoffe, Jimmy hat sich nicht zu unbeholfen angestellt, meine Herren.«
    »Jimmy ist der Empfangsmitarbeiter?«, fragte Brass. Der Knabe war inzwischen längst wieder verschwunden.
    »Ja. Er ist dort zum ersten Mal im Einsatz, und wir haben derzeit vier Aufbahrungen. Die Leute geben sich heute die Klinke in die Hand.«
    »Wie heißt Jimmy mit Nachnamen?«, fragte Grissom.
    »Sein Name ist James Doyle. Warum?«
    Der Kriminalist zuckte mit den Schultern. »Ich bin von Natur aus neugierig, Mr Black.«
    »Ach so. Nun, Jimmy ist schon seit Jahren bei mir.«
    »Seit Jahren?«
    »Am Anfang ging er noch zur High School, dann hat er während der schulischen Ausbildung zum Bestatter ein Praktikum bei mir gemacht. Ich habe viel Personal, Mr Grissom, mehr als ein Dutzend Angestellte … Wie kann ich Ihnen behilflich sein, meine Herren?«
    Brass sah sich unter den Leuten um, die durch das Foyer irrten, manche auf dem Weg hinaus, andere auf dem Weg herein. »Können wir uns irgendwo ungestört unterhalten?«
    »Über?«
    »Über«, sagte Brass, »etwas, das Sie sicher nicht in ihrem Empfangsbereich hören wollen.«
    Black führte sie in ein geräumiges Büro.
    Wie Grissom erwartet hatte, war die persönliche Zuflucht des Bestatters ebenso geschmackvoll und seriös eingerichtet wie der Rest des Desert Haven: Sie sahen einen großen, glänzenden Mahagonischreibtisch, eine Regalwand mit schön gebundenen und vermutlich nie gelesenen Büchern und Grafiken winterlicher Szenen aus New England. Hinter Blacks Schreibtisch prangten drei gerahmte Diplome an der Wand neben einem Fenster, dessen hölzerne Läden geschlossen waren. Eine Tischlampe verbreitete einen warmen gelben Lichtschein.
    Die zwei Besucherstühle vor dem Schreibtisch sahen aus wie frisch geliefert, dem ganzen Büro haftete ein Hauch von Patchouli an. Black bedeutete Brass und Grissom, Platz zu nehmen, als er seinen Schreibtisch umrundete und sich auf seinen hochlehnigen schwarzen Ledersessel fallen ließ.
    Dies, so überlegte Grissom, war nur die Vortäuschung eines Büros; dieser sterile, unpersönliche Raum aus einem Werbespot für Möbel war ein Ort, an dem Black die Trauernden empfing, um ihnen Rat und Unterstützung anzubieten. Irgendwo in diesem Gebäude musste es jedoch noch ein anderes Büro geben, in dem eine andere, wirklichere Arbeitsatmosphäre herrschte.
    »Wie kann ich dem LVPD helfen?«, fragte Black, nachdem er die Fingerspitzen unter das Kinn gelegt und die Ellbogen auf die Tischplatte gestützt hatte.
    »Haben Sie die Beerdigung von Rita Bennett durchgeführt?«
    Selbstsicheres Nicken. »Ja, ihr Mann – Peter Thompson – ist ein enger Freund von mir.«
    Grissom neigte zu der Überzeugung, dass Menschen, die allzu gern von ihren »engen Freunden« sprachen, damit meist nicht mehr als ein paar Bekannte meinten.
    »Rita zu verlieren«, erzählte der Bestatter, »war eine Tragödie – so eine lebendige Frau. Sie ist zweimal zur Vorsitzenden der Handelskammer ernannt worden, wussten Sie das?«
    »Wer«, fragte Brass, »von ihrem umfangreichen Personal war für diese Beerdigung zuständig?«
    Verwirrung schlug sich in Blacks Zügen nieder. »Warum sind Sie so sehr an dieser

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