Toedlicher Irrtum
durch die Stadt hinter sich zu bringen. Als sie eintrafen, war der Parkplatz so gut wie voll, und Brass musste den Taurus auf die andere Seite des Gebäudes fahren.
Die beiden Männer gingen um das Gebäude herum zur Vorderseite. Die geschmackvolle Fassade aus Ziegelsteinen, weiß gestrichenen Mauerabsätzen und Pfeilern gehörte zu einem einstöckigen Gebäude, das sich endlos auszubreiten schien. Grissom wusste, dass es in dem Haus mindestens sechs, möglicherweise mehr Aufbahrungsräume gab, außerdem eine Reihe Büros, einen Waschraum, in dem die hygienische Versorgung der Leichen stattfand, und das Krematorium.
Wie in so vielen anderen Branchen fraßen auch im Beerdigungsgewerbe die Großen die Kleinen auf. Viele Beerdigungsinstitute hatten als Familienunternehmen angefangen, waren von einer Generation zur anderen weitervererbt worden, doch mit dem Auftauchen der großen Ketten war diese Tradition beendet worden. Die Großunternehmen hatten nach und nach damit angefangen, die kleinen Familienbetriebe aufzukaufen. Dustin Blacks Desert Haven Mortuary bildete die Ausnahme von der Regel.
Noch immer in Familienbesitz, war das Desert Haven schlicht zu groß und zu erfolgreich, um es für einen Preis zu kaufen, der für die großen Ketten annehmbar gewesen wäre. Die Familie Black war bereits seit Daniel Black, Dustins Großvater, Ende der dreißiger Jahre einen der ersten Einbalsamierungsautomaten erworben hatte, in diesem Geschäft. Obwohl Las Vegas zu jener Zeit kaum mehr als eine weite Ebene in der Wüste gewesen war, hatte sich Daniel als Leichenbestatter selbstständig gemacht.
Inzwischen war das Desert Haven das größte Bestattungsinstitut zwischen Kalifornien und Arizona, ein Pfeiler der Gesellschaft und das Institut der Wahl all jener, die es sich leisten konnten.
Der volle Parkplatz verriet den Besucherandrang, obwohl es kaum Mittag war. Elegante Flügeltüren mit geschliffenem Glas führten in eine große Lobby, in der der Kriminalist und der Detective von einem stillen, jungen Mitarbeiter in grauem Anzug empfangen wurden. Der hübsche Knabe war gerade Anfang zwanzig.
Grissom war ein wenig überrascht, einen so jungen Mann an der Rezeption eines Beerdigungsinstituts zu sehen – oftmals beschäftigten solche Gewerbe eher ältere Menschen mit einem seriösen Auftreten. Dieser Bursche hingegen wirkte ziemlich eifrig.
»Welche Familie, bitte?«, fragte der Empfangsmitarbeiter.
»Die Familie Black«, sagte Brass.
»Ich … ich verstehe nicht …«
Diskret zeigte Brass ihm seine Marke. »Wir müssen mit Mr Black sprechen.«
»Wir sind wirklich sehr beschäftigt.« Brass’ Anliegen schien den Empfangsmitarbeiter aus dem Konzept gebracht zu haben. »Ich bin nicht sicher …«
Brass lächelte. »Sie stehen hier nicht sonderlich weit oben in der Nahrungskette, was, Junge?«
»Äh …«
»Warum holen Sie nicht einfach Ihren Boss und überlassen ihm die Entscheidung?«
Anspannung schlich sich in die dunklen Augen, dann nickte der Junge gestikulierend. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, dort zu warten?«
»Keineswegs.«
Sie zogen sich auf eine Seite des Raums zurück. Der Junge verschwand in einem Korridor, und ein älterer Mann, dessen Haar so grau war wie sein Anzug, übernahm seinen Posten: empfing die Besucher und geleitete sie in die jeweiligen Aufbahrungsräume.
Drei weitere Empfangsmitarbeiter tauchten auf und sorgten dafür, dass die Maschinerie des Beerdigungsinstitutes störungsfrei weiterlief. Menschen kamen und gingen, und die drei Männer – alle in einem gewissen Alter und einer seriösen Haltung – zeigten sich freundlich, liebenswürdig und hilfsbereit. Einer kam sogar auf Brass und Grissom zu, um sich zu vergewissern, dass diese bereits bedient worden waren.
Grissom war beeindruckt – er hatte Kasinos mit weniger Kundschaft erlebt. Ihm waren Studien bekannt, die von vier Millionen Besuchern pro Jahr und fünftausend neuen Bewoh nern pro Monat sprachen … wie viele Todesfälle gab es ei gentlich im Monat? Und wie viele Beerdigungen? Und Einäscherungen? Natürlich war Grissom mehr als den meisten Menschen bewusst, dass jeder einmal sterben musste. Aber dass ein Beerdigungsinstitut dermaßen gut laufen konnte, war selbst ihm nicht bekannt gewesen. Das Geschäft der Blacks jedenfalls brummte.
Bald kehrte der junge Empfangsmitarbeiter mit einem großen Mann zurück. Black war, wie Grissom vermutete, in den Vierzigern, hatte ein ovales, freundliches Gesicht und eine mönchsartige
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