Toedlicher Irrtum
falls man bei einer Toten überhaupt von ihrem Alter sprechen konnte.
Warrick setzte seine Suche fort, was nicht viel Zeit erforderte – der stellvertretende Leichenbeschauer war zwei Türen weiter im Röntgenlabor.
Als Warrick eintrat, justierte David gerade das Röntgengerät über Vivian Elliots Überresten. Mit dem Röntgenapparat wurden Kugeln oder andere körperfremde Gegenstände aufgespürt. Deshalb wusste der Kriminalist nicht so recht, was David mit dem Ding bei der verstorbenen Vivian Elliot erreichen wollte.
»Hey«, grüßte Warrick.
»Hey.« David lächelte, offenbar erfreut über die lebendige Gesellschaft, und winkte ihn zu sich. »Nur herein in die gute Stube.«
»Sagte die Spinne zur Fliege?«
»Oder auch nicht. Keine Sorge: Diese Gerüchte über Glühen im Dunkeln sind ein Haufen Mist.«
David führte Warrick in den Kontrollraum und drückte einen Schalter. Bald darauf schaltete er wieder aus und ging zurück in den Untersuchungsraum, um die belichtete Platte unter Vivians Leiche zu entfernen und eine neue etwas weiter unten hinzulegen.
»Ich könnte Hilfe gebrauchen.«
»Applaus reicht wohl nicht, oder?«, antwortete Warrick, als er zu ihm kam.
»Nein«, entgegnete David mit einem nervösen Lächeln.
Warrick drehte Vivian ein wenig zur Seite, sodass David die Platte unter dem Körper platzieren konnte. »Was haben Sie vor, David?«, fragte er. »Wieder eine Ahnung?«
»Nicht ganz. Eigentlich möchte ich eine Theorie bekräftigen.«
»Die lautet?«
»Dass jemand im Sunny Day Mrs Elliot Luft injiziert und so eine Embolie ausgelöst hat, die zum Herzstillstand führte … woran Vivian schließlich gestorben ist.«
Warrick nickte stirnrunzelnd. »Sie glauben, der Mörder hat es getan, damit der Tod wie ein Herzanfall aussieht?«
»Das nehme ich an. Und das ist eine Methode, mit der ein böser Junge davonkommen könnte … wenn die guten Jungs nicht so genau hinschauen würden.«
Warrick zog eine Braue hoch und bedachte David mit ei nem leicht spöttischen Grinsen. »Erst denken Sie, die Frau wurde ermordet, weil es zu viele Todesfälle im Sunny Day gibt …«
»Ja … aber auch, weil keine der letzten vier Personen, die im Sunny Day gestorben sind, Familienangehörige hatte. Niemand musste benachrichtigt werden, erinnern Sie sich?«
»Ich erinnere mich … und jetzt erzählen Sie mir, die Mordwaffe war Luft?«
»Tja, ich habe hier noch eine Tatsache für Sie …«
»Tatsachen sind immer gut. Tatsachen mögen wir lieber als Ahnungen.«
»Das weiß ich. Die anderen hatten auch alle einen Herzanfall.«
Warrick fühlte, wie seine Skepsis sich in Luft auflöste und sein Interesse zunahm. Die Fakten fingen an, sich zu stapeln wie die Jetons eines vom Glück begünstigten Spielers. Außerdem weckte Davids Ernsthaftigkeit in Warrick den Wunsch, den Instinkten des stellvertretenden Leichenbeschauers zu trauen.
Immerhin konnten die »Ahnung« und der »Instinkt« eines Experten ebenso bedeutend sein wie die Diagnose eines Arztes.
»Die Methode ist relativ einfach«, erklärte David. »Der Mörder injiziert eine ziemlich große Spritze mit Luft. In Mrs Elliots Fall hat das IV-Katheder dem Mörder eine Injektions stelle geboten, die nicht einmal auffiel. Die Luftembolie er reicht das Herz, und der Muskel krampft sich zusammen. Äußerlich weisen die Symptome auf einen Herzanfall hin, aber die Wahrheit ist … sie wurde ermordet.«
»Lass die Nadel verschwinden«, kommentierte Warrick, »und es ist, als wärest du nie dort gewesen.«
»Das perfekte Verbrechen, von dem man so oft hört.«
»So perfekt ist das nicht.«
David runzelte die Stirn. »Wo liegt der Fehler?«
Warrick grinste. »Jemand, der so klug ist wie Sie, David, könnte dahinter kommen.«
David strahlte, aber Warrick gab ihm keine Gelegenheit, sich in dem Lob zu sonnen. »Was hoffen Sie, mit den Röntgenaufnahmen zu beweisen?«
Mit einem Wink in Richtung Röntgengerät sagte David: »Das kardiovaskuläre System ist ein geschlossenes System. Trotz der Tatsache, dass Arterien, Venen und Kapillare eine Gesamtlänge von um die 100.000 Kilometer ergeben, wird die Luftblase auf dem Röntgenbild sichtbar. Falls es eine Luftblase gibt, wurde Vivian Elliot ermordet. Falls nicht … habe ich einen Haufen wertvoller Zeit vergeudet, und die arme Frau ist immer noch tot.«
»Tot, aber nicht ermordet.«
»Tot, aber nicht ermordet … Aber steht es der Frau nicht zu, dass wir uns ernsthaft bemühen, den Grund für ihren Tod
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