Toedlicher Irrtum
Dunkelheit im Wagen hatte das Fahrzeug in eine Art Beichtstuhl verwandelt.
»Mit dieser Erkenntnis wird man genauso schwer fertig wie damit, beim Ehebruch erwischt zu werden«, gestand der Bestatter. »Eigentlich sogar noch schwerer. Ich glaube, auf eine gewisse Weise wollte ich sogar, dass Cassie es herausfindet, aber nicht so … Kathy war ein wunderbares Mädchen. Ich habe ihr tiefe Gefühle entgegengebracht, und sie war eine extrem liebevolle junge Frau, die sich von ihren Eltern eingesperrt fühlte.«
»Hat sie Ihnen von ihrer Schwangerschaft erzählt, wenn ich fragen darf?«, erkundigte sich Grissom.
»Das hat sie. Sie wollte, dass ich meine Frau verlasse und sie heirate.«
Dieses offene, prompte Eingeständnis riss sogar Brass aus seiner sonst so unerschütterlichen Ruhe.
»Und was«, fragte Grissom, »hatten Sie vor?«
»Ich … ich hatte mich noch nicht entschieden. Ich war ehrlich zu Kathy, und ich habe ihr gesagt, dass ich auf jeden Fall für sie und das Kind sorgen würde, wie auch immer sie damit umgehen wollte. Das Wort Abtreibung hat keiner von uns auch nur ausgesprochen.«
»Ich verstehe«, sagte Grissom.
»Aber ich musste erst ernsthaft in mich gehen und mir überlegen, was auf mich zu käme … immerhin habe ich eine gewisse Position in der Gesellschaft, und sie war noch ein halbes Kind … Naja, ich habe versucht, alles genau zu durchdenken, mental zu verarbeiten.«
Nachdenkliche Anspannung offenbarte sich in Grissoms Augen. »Haben Sie deshalb in dieser Nacht zwei Stunden gebraucht, um Kathy nach Hause zu fahren, Mr Black?«
»Ja. Wir haben uns geliebt, das will ich nicht bestreiten. Diese Erinnerung werde ich wohl bis zum Tag meines eigenen Todes als kostbar empfinden. Aber wir haben auch geredet. Ich wünschte … ich wünschte …«
»Was wünschen Sie sich, Mr Black?«
»Ich wünschte, ich hätte dem Mädchen gesagt, ich würde Cassie verlassen und sie heiraten, wie sie es gewollt hat. Ich weiß nicht warum, aber ich habe das Gefühl, sie wäre noch am Leben, hätte ich das getan.«
»Wie kommen Sie darauf?«
»Das ist ein Gefühl, Doktor Grissom. Ein Warum ist da fehl am Platz.«
Grissom fragte sich, ob er sich mit einem unschuldigen Mann unterhielt, oder ob er es mit einem Mörder zu tun hatte, der zugleich ein hervorragender Schauspieler war. In seiner langen Laufbahn hatte er schon beides erlebt, und im Augenblick hätte er auf keine der beiden Möglichkeiten setzen können. Immerhin war es Dustin Blacks Beruf, dafür zu sorgen, dass sich Menschen in der schlimmsten Zeit ihres Lebens wohl fühlten, und ihnen genau das zu sagen, was sie in schweren Zeiten hören wollten.
Ob es den anderen womöglich ebenso erging?
Falls Black schuldig war, würde er sich im Zeugenstand ausgezeichnet machen.
Am Beerdigungsinstitut angekommen, stiegen sie aus, und nachdem Black die Tür aufgeschlossen hatte, betraten sie gemeinsam den dunklen Empfangsbereich. Dort warteten sie, während der Bestatter die Alarmanlage deaktivierte und das Licht einschaltete. Als das erledigt war, gingen Black und Brass wieder hinaus auf den Parkplatz. Die Spannung zwischen den beiden Männern hatte spürbar abgenommen.
Grissom besprach die Vorgehensweise mit Nick und Sara. »Wir werden uns Zeit nehmen. Hinten fangen wir an und arbeiteten uns nach vorne durch. Wir werden einen Raum nach dem anderen durchsuchen und mit der Garage anfangen.«
In der Garage schaltete Nick seine Maglite an. Im Licht der Taschenlampe sahen sie Stellplätze für drei Fahrzeuge. Der erste Platz war leer, den mittleren nahm die Limousine ein, und auf dem letzten stand der Leichenwagen. An der vorderen Wand befand sich eine Werkbank.
»Ich hätte nie gedacht, dass ich das mal sagen würde …«, kommentierte Nick, nachdem er das Licht der Garage eingeschaltet hatte.
Grissom griff das Stichwort auf. »Was, Nick?«
»Ich nehme den Leichenwagen.«
Grissom lächelte. »Und ich übernehme Werkbank und Werkstattbereich. Damit bleibt dir die Limousine, Sara.«
»Alles klar.«
Die Werkbank war offenbar im Nachhinein aus Sperrholz zusammengezimmert worden. Über der Werkbank war ein Brett mit Haken angeschraubt, an dem Dinge wie Zangen, Vierkantschlüssel oder Schraubenzieher hingen. Auf einem Regalbrett unter der Werkbank stand ein verschlossener Werkzeugkoffer aus Stahlblech. Außerdem stapelten sich auf einer Seite der Werkbank zahlreiche Kartons.
Grissom beschloss, Black danach zu fragen.
Er drückte auf den Schalter, der das
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