Tödlicher Kick
sah mich so mahnend an wie der Papst das stiften gegangene Schaf: »Der arme Junge hat den Erfolg nicht verkraftet. Ihr jungen Leuten könnt mit so viel Kohle noch gar nicht umgehen.«
»Da hat Lila ja Glück, dass sie hier mit uns Hunger leiden darf und nicht die Millionen ihres stinkreichen Papas verprassen muss.« Danner tippte sich an die Stirn.
Molles Blick wanderte verwirrt von Danner zu mir.
Weil Molle im Gegensatz zu Danner weder meine Eltern noch deren zugegebenermaßen reichlich protzige Villa kennengelernt hatte, machte ich ein ahnungsloses Gesicht und zuckte die Schultern.
»Der Mongabadhi soll doch ganz schlechten Umgang gehabt haben«, fuhr Molle dann fort. »Was da alles in der Zeitung stand. Sex und Drogen und so. Der soll ja auch eine Prostitio…«
»Prostituierte«, half ich weiter.
»Genau, die soll er sich gekauft haben. Da darf er sich nicht wundern, wenn er eines Morgens erstochen im Bett liegt«, sagte der Mann, der bedenkenlos jede Obdachlose bei sich aufnahm, und verschwand in der Küche.
»Und wie finden wir Curly jetzt wieder?«, erkundigte ich mich bei Danner, als Molle außer Hörweite war.
»Wir fragen im Puff«, schlug er vor.
Ich lachte auf.
Dann begriff ich, dass er das durchaus ernst meinte.
War es möglich, dass Curly im Rotlichtmilieu untertauchte? Warum eigentlich nicht – wo sollte sie sich denn sonst vor der Polizei verstecken?
»Ich verkleide mich aber nicht als Nutte«, stellte ich klar. Nur zur Sicherheit.
»Schön, dass wir uns in diesem Punkt ausnahmsweise einig sind«, antwortete Danner sarkastisch.
Molle kehrte mit einem Tablett voll Marmeladengläser zurück.
»Wenn du streikst, muss ich die Arbeit diesmal wohl selbst erledigen«, seufzte Danner und griff nach dem Himbeergelee.
Ich runzelte die Stirn. Wie wollte er das denn machen? Er konnte wohl kaum einfach die Bordelle abklappern und an den Zimmern anklopfen. Entschuldigen Sie die Störung, darf ich mir die Dame eben mal ansehen? Nein, mich interessiert nur das Gesicht. Das ist sie nicht. Dann noch viel Spaß, der Herr.
»Wie willst du denn …?«
Danner zog eine Augenbraue hoch.
Ich hielt mitten im Satz inne.
O je.
7.
Ich hatte gekniffen und ärgerte mich darüber. Danner würde nach Curly suchen, weil ich zu feige war.
Dabei war ich beim Thema Sex normalerweise nicht empfindlich. Wenn ich mein Ziel mithilfe von ein bisschen Körpereinsatz erreichen konnte, war ich noch nie davor zurückgeschreckt.
Die Aufmerksamkeit eines Englischlehrers von den Vokabeln abzulenken, war für mich die einzig sinnvolle Begründung gewesen, im kurzen Rock in die Schule zu gehen. Während der Pubertät hatte ich es witzig gefunden, durch ein bisschen Arschwackeln reihenweise kleinhirngesteuerte Dummfritzen im Bett meiner Eltern flachzulegen.
Was war mit mir los, dass ich beim Thema Prostitution einen Rückzieher machte?
Egal. Vielleicht gelang es mir ja, Curly ganz ohne Bordellbesuch wiederzufinden. Und das am besten, bevor Danner aus dem Bad kam.
Die Onlineversion des Telefonbuches ersparte arbeitsscheuen Privatdetektivinnen das Blättern. Der Name Schmidtmüller erzielte im Raum Bochum und Bochum-Wattenscheid genau einen Treffer. Damit erübrigte sich sogar das langwierige Abtelefonieren von Namenslisten.
»Sssmidtmüller?«, meldete sich eine tiefe Männerstimme.
Das Lispeln passte überhaupt nicht zu dem sonoren Bass der Stimme, der Typ klang wie ein Bär, der sich sein Gebiss korrigieren ließ. Mit einer dieser Monsterzahnspangen, die mit einem Metallgestell außen am Kopf angebracht wurden.
»Ziegler, Kripo Bochum. Guten Morgen«, meldete ich mich in sachlich-professionellem Tonfall.
»Iss hab’ss ja geahnt«, stöhnte der Mann am anderen Ende der Leitung.
»Ich rufe an wegen Moesha Schmidtmüller.«
»Ich hab Radio gehört. Ich hab immer gewussst, dasss der Dreck mal bösse enden wird.«
Ich ballte meine freie Hand zur Faust.
Offenbar war ich Stascheks Truppe zuvorgekommen, die Kripo war noch nicht bei den Schmidtmüllers aufgetaucht. Was vermutlich daran lag, dass die Polizeipräsidentin das fotogene Gesicht ihres Ersten Kriminalhauptkommissars mal wieder als Deko für die Pressefotos benötigte.
»Können wir Moesha bei Ihnen erreichen?«
»Ich habe ssie sseit Monaten nicht gessehen«, erklärte der Mann. »Aber ssie hat garantiert nichtss mit dem Tod von dem Ssswein zu tun.«
Mit dem ›Schwein‹ war wohl Oran Mongabadhi gemeint. In Gedanken legte ich rasch eine erste
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