Tödlicher Kick
bring dir bei, wie es geht. Du wirst gar nicht genug kriegen.«
Ehe ich mich versah, packte Stani mit beiden Händen meinen Kopf und krachte ihn rückwärts gegen die Wand. Der Schmerz ließ mich Sterne sehen.
Er nutzte meine Benommenheit; seine glitschige Zunge bohrte sich in meinen Mund, so hart und tief, dass ich würgen musste.
Allerdings nur den Bruchteil einer Sekunde lang, dann schrie er auf und brach jaulend zusammen. Die rechte Hand presste er auf seinen Mund, die linke in den Schritt.
Ich spuckte sein Blut auf den Laminatboden und tastete meinen Hinterkopf ab.
Unterhalb der modischen Totenkopfgürtelschnalle verfärbte sich der Stoff von Stanis Hose dunkel. Urin oder Blut, so schnell arbeitete der niemanden mehr ein.
Weil ich ihn gebissen hatte, hatte er sich nicht mehr von mir lösen können. Er hatte keine Chance gehabt, meinem mit voller Wucht hochgerissenen Knie auszuweichen.
»Bist du total durchgeknallt?«, kreischte Esmeralda.
»Lasst sie nicht abhauen, verdammt!«, winselte Stani. Doch die anderen Mädchen waren verschwunden.
Ich spuckte noch mal. Bäh.
Im nächsten Augenblick bemerkte ich einen dunklen Schatten über mir. Als ich aufblickte, sauste die leere Champagnerflasche direkt auf mein Gesicht zu.
21.
Ein weißer, nackter Frauenkörper schwebte über mir. Klein, dünn und verletzlich. Blonde Haare umrahmten das Gesicht mit dem spitzen Kinn wie Lichtstrahlen die Sonne. Die blauen Augen starrten mich an.
Moment, das war ich ja selbst?!
Wieso konnte ich meinen eigenen Körper sehen? Wieso lag ich nackt auf dem Bett?
Sekundenlang fehlte mir jede Orientierung.
Hing ich oben, an der Zimmerdecke? Und der Körper, den ich sah, lag unter mir im Bett? Dann musste ich tot sein und meine Seele schwebte auf dem Weg zum Himmel über meiner Leiche.
Ein pochender Schmerz schwoll in meinem Kopf an. Mit ihm kehrten Erinnerungsfetzen zurück. Der Champagner, Stanis Zunge in meinem Mund, die Glasflasche direkt vor meinem Gesicht.
Tatsächlich schimmerte die linke Gesichtshälfte meiner Leiche blau. Hatte Esmeralda mir den Schädel eingeschlagen? War ich deshalb tot?
Ich runzelte die Stirn.
Mein Körper unter mir machte es nach.
Moment.
Vorsichtig hob ich eine Hand.
Meine Leiche winkte mir zu.
Der Spiegel über dem Bett! Ich griff mir stöhnend an den Schädel.
Ich war nicht tot, sondern noch immer in Esmeraldas Bordell. Nachdem ich Stani außer Gefecht gesetzt hatte, hatte mich Esmeralda niedergeschlagen. Und ich hatte keine Ahnung, was in der Zwischenzeit mit mir passiert war.
Aber ich war nackt.
Nackt! Auf einem Bett! In einem Bordell!
Hastig tastete ich zwischen meine Schenkel. Kein Blut, keine Verletzungen, keine Schmerzen.
Gut, Stani war nach meinem Volltreffer garantiert nicht mehr in der Lage gewesen, mir die Arbeit in diesem Gewerbe näherzubringen.
Aber wieso war ich dann nackt?
Oder war ich womöglich wieder an einem Punkt angekommen, an dem ich Schmerzen einfach nicht spüren konnte? Wie damals beim Kieferbruch? Hatte mein Nervensystem den Generalstreik angetreten und die Schmerzen nach der Vergewaltigung einfach abgeschaltet?
Das Pochen in meinem Kopf wurde unerträglich. Eine Sekunde lang stellte ich mir noch einmal vor, über meiner eigenen Leiche zu schweben. Sie unter mir immer kleiner werden zu sehen. Bis ich mich auflöste und einfach weg war.
Mein Spiegelbild sah wütend aus.
Zu Recht. Wenn ich mich endlich einigermaßen vernünftig verhalten wollte, dann sammelte ich meine Sachen zusammen, sah zu, dass ich endlich hier rauskam und mich medizinisch untersuchen ließ.
Ich setzte mich auf und lauschte.
In der ›WG‹ herrschte Stille. Wie spät war es? Mir fehlte jedes Zeitgefühl. Lautlos erhob ich mich. Ging besser, als erwartet.
Mein Blick flitzte über den Boden.
Keine Klamotten. Mist.
Vorsichtig öffnete ich die Tür zum Bad. Nichts. Nur eines dieser lächerlichen Bademäntelchen, in dem sogar ich an ein rosa Playboy-Bunny erinnerte. Seufzend wickelte ich mich hinein.
Der Spiegel über dem Waschbecken zeigte mir meine angeschwollene Unterlippe. Mein Kiefer war dunkelblau angelaufen. Genau an der Stelle, an der der Knochen noch immer mit einer winzigen Metallplatte zusammengeschraubt war. Die Champagnerflasche musste mich ins Gesicht getroffen haben.
Ich tastete prüfend den Rest meines Kopfes ab. Am Hinterkopf spürte ich eine ordentliche Beule. Hoffentlich waren die Knochen heil geblieben. Mithilfe des dicken Flaschenbodens konnte Esmeralda sogar
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