Tödlicher Mittsommer
Abendessen.«
»Das macht nichts«, erwiderte Nora zufrieden. »Ich warte um halb neun an der Treppe auf dich.«
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Kapitel 56
Das Skärgårdsbistro im Seglarhotellet, gemeinhin nur »Seglerrestaurant« genannt, war das Resultat einer behutsamen Erweiterung des alten Klubhauses, das seit über hundert Jahren den Hafen dominierte.
In dem falunroten Gebäude mit seinem wimpelgekrönten Turm waren das Regatta-Büro und die Hafenverwaltung des KSSS untergebracht. Außerdem beherbergte es mehrere Gaststätten. Unzählige Segler waren in den gut hundert Jahren, die das Haus nun stand, ein und aus gegangen. Wenn die Wände sprechen könnten, hätten sie eine Reihe pikanter Geschichten erzählen können, in denen gekrönte Häupter und Mitglieder der High Society eine Rolle spielten. Im Laufe der Jahre hatte das Seglerrestaurant viele Wirte gehabt, vom legendären Åke Kristerson in den Siebziger- und Achtzigerjahren bis zum weniger bekannten Rauschgiftkocher Fleming Broman.
Nora wartete bereits unten an der Treppe zum Bistro, als Thomas vom Fähranleger heraufkam. Sie erkannte seine energischen Schritte schon von Weitem, und einmal mehr wurde ihr bewusst, wie attraktiv er war. Obwohl ihn Kleidung überhaupt nicht interessierte, stand ihm alles, was er anzog, sehr gut zu Gesicht. Heute Abend trug er einen hellblauen Tennispullover und leicht verwaschene Jeans und dazu eine Sonnenbrille im Pilotenstil.
Nora bemerkte, wie ein paar kichernde Mädchen um die zwanzig sich umdrehten und ihm nachschauten. Thomas bekam davon natürlich nichts mit.
Sein Gesicht begann zu strahlen, als er Nora entdeckte. Zur Belohnung bekam er eine herzliche Umarmung zurück.
»Wie geht’s dir? Bist du müde? Hast du Hunger?«, begrüßte Nora ihn und merkte gar nicht, dass sie gerade drei Fragen hintereinander abgefeuert hatte, ohne ihm Gelegenheit zu einer Antwort zu geben. Sie klopfte sich auf den Bauch. »Ich jedenfalls bin halb verhungert. Komm, lass uns reingehen.«
Kurzerhand drehte sie sich um und ging vor Thomas die Treppehinauf. Eine Oberkellnerin in schwarzem Kleid führte sie an einen Tisch mit Aussicht über den ganzen Hafen. Sie bekamen jeder eine Menükarte, dann entfernte sich die Kellnerin wieder.
Nora ließ den Blick hungrig über die Karte wandern. Es gab natürlich überwiegend Fisch, aber auch einige verlockende Fleischgerichte.
»Weißt du schon, was du nimmst?«, fragte sie Thomas. »Vergiss nicht, dass du eingeladen bist. Versprochen ist versprochen.«
»Ich weiß genau, was ich nehme. An einem Ort wie diesem kann man eigentlich nur ein Gericht essen.«
»Und das wäre, wenn ich fragen darf?« Nora lächelte ihn an, sie wusste genau, worauf er anspielte.
»Seglertoast natürlich. Was dachtest du denn?«
Der klassische Seglertoast wurde hier schon seit Urzeiten serviert. Er bestand aus einem großen Rinderfilet auf geröstetem Brot mit einer ordentlichen Portion Sauce béarnaise obendrauf. Dazu gab es reichlich Pommes frites.
»Nicht gerade sehr gesund«, mahnte Nora.
»Aber verdammt lecker«, entgegnete Thomas. »Wenn du gestattest.«
Nachdem die Serviererin ihre Bestellung aufgenommen und ihnen auf Noras Wunsch hin dunkelroten australischen Merlot eingeschenkt hatte, konnte Thomas seine Ungeduld nicht länger zügeln.
»Nun erzähl schon, was hast du über Philip Fahléns Unternehmen herausgefunden?«
Nora holte die blaue Mappe und den Block mit ihren Berechnungen hervor. Sie beschrieb kurz, wie sie vorgegangen war und worauf sie besonders geachtet hatte.
»Schau hier«, sagte sie und zog ein Blatt heraus, auf dem mit Bleistift Zahlenkolonnen notiert waren. »Eine ganze Zeit lang hatte die Firma einen ungefähr gleichbleibenden Umsatz mit unveränderter Gewinnspanne. Keine nennenswerten Abweichungen über eine lange Zeit. Aber vor fünf Jahren ist der Umsatz plötzlich deutlich angestiegen, und gleichzeitig haben sich die Gewinne um mehr als dreihundert Prozent erhöht.«
Sie zeigte mit dem Stift auf die Zahl 300, um ihre Worte zu unterstreichen.
»Und das heißt?«, fragte Thomas.
»Dass die Firma plötzlich wesentlich höhere Einnahmen als Ausgaben hat.«
Nora trank einen Schluck Wasser und fuhr fort:
»Die meisten Unternehmen, deren Einnahmen steigen, haben gleichzeitig höhere Kosten. Das geht normalerweise Hand in Hand. Sicher kann man ein paar Geschäfte mehr abschließen und trotzdem im Kostenrahmen bleiben, aber es ist nicht üblich, dass sich die Einnahmen so dramatisch erhöhen, ohne
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