Tödlicher Mittsommer
über sein Gesicht, er nickte nur stumm.
Carina hätte sich am liebsten auf die Zunge gebissen. Wie konntesie so etwas nur Thomas gegenüber sagen? Rasch wechselte sie das Thema.
»Ich habe mit dem Vermessungsamt gesprochen. Sie haben zugesagt, sobald wie möglich einen Suchlauf im Grundstücksregister zu machen. Wenn sie es heute nicht mehr schaffen, dann gleich am Montag. Ich habe extra betont, wie dringend es ist.«
Thomas’ Gesicht hellte sich etwas auf.
»Sehr gut. Beim derzeitigen Ermittlungsstand müssen wir jeden noch so kleinen Anhaltspunkt verfolgen.« Sein Blick glitt übers Wasser, wo gerade ein dicker Hochseekreuzer vorüberfuhr. »Besonders jetzt, wo es so aussieht, als wären da noch mehr Leute im Spiel als Fahlén.«
»Sobald sie das Ergebnis haben, schicken sie es uns zu. Leider habe ich in den Passagierlisten der Reederei nichts gefunden, aber vielleicht haben wir mit dem Grundstücksregister mehr Glück.«
Carina verstummte und fummelte nervös am Besteck. Sie suchte nach einem Gesprächsthema, das nicht zu persönlich war und sich trotzdem nicht nur um die Arbeit drehte.
Da fiel ihr sein Haus auf Harö ein. Sie wusste, dass Thomas, so oft es ging, hinausfuhr. Wenn er über den Schärengarten sprach, leuchtete sein Gesicht immer auf.
»Erzähl mir von deinem Wochenendhaus. Es muss sehr schön sein da draußen.«
Während Thomas das Haus und das Leben auf Harö beschrieb, betrachtete Carina ihn heimlich hinter ihrer dunklen Sonnenbrille.
Thomas war sympathisch und wirklich nett, aber sobald das Gespräch auf sein Privatleben kam, wurde er verschlossen. Sie konnte sich nicht erinnern, dass Thomas jemals freiwillig etwas von sich erzählt hätte. Er konnte über jedes Detail einer Ermittlung diskutieren, ohne müde zu werden, doch kaum stellte man eine persönliche Frage, klappte er zu wie eine Auster. Aber die Atmosphäre zwischen ihnen war unverkrampft, und er hatte sich in diesem Monat Juli ihr gegenüber viel mehr geöffnet als je zuvor. Er wirkte jetzt auch viel lockerer, obwohl die Ermittlung an den Kräften zehrte.
»Kommst du mit?«
Thomas’ Frage riss Carina aus ihren Gedanken. Sie sah ihn an und suchte nach Worten. Was hatte sie gerade verpasst?
Sie gab es auf und lächelte ihn an. Ertappt.
»Entschuldige, ich war mit meinen Gedanken woanders.«
Thomas lachte.
»Okay, also noch mal. Ich will heute Nachmittag zu Krister Berggrens Wohnung fahren. Vielleicht haben wir ja beim letzten Mal doch etwas übersehen. Ich würde mich freuen, wenn du mitkämst. Vier Augen sehen mehr als zwei. Das heißt, nur wenn du dich heute Nachmittag konzentrieren kannst.«
Er drohte ihr scherzhaft mit dem Finger.
»Natürlich komme ich mit«, antwortete Carina enthusiastisch. Sie hatte nichts dagegen, einen ganzen Nachmittag lang mit Thomas allein zu sein.
Sie beugte sich über ihren Salat und versuchte, mit der Gabel ein paar Garnelen aufzuspießen. Das lief ja immer besser. Außerdem konnte sie bei richtiger Polizeiarbeit mithelfen. Genau das, was sie für ihre Bewerbung um einen Platz an der Polizeihochschule brauchte.
»Wann fahren wir?«
»Sobald du aufgegessen hast.«
[Menü]
Kapitel 68
Als Thomas und Carina den Wohnblock in Bandhagen erreichten, war weit und breit kein Mensch zu sehen. Das einzige Lebewesen in der Umgebung war eine schwarze Katze mit weißem Schwanz, die seelenruhig über die Straße spazierte.
Die Wohnung im zweiten Stock war genauso still und verlassen wie beim letzten Mal. Das polizeiliche Siegel verkündete schon von Weitem, dass keiner sich die Mühe zu machen brauchte, hier einzubrechen.
Thomas schloss die Wohnungstür auf und ließ Carina vorgehen.
Es roch womöglich noch muffiger als beim ersten Mal. Sie gingen durch den engen Flur ins Wohnzimmer mit der verschossenen Tapete. Die spärliche Einrichtung mit dem fleckigen schwarzen Ledersofa wirkte immer noch genauso deprimierend.
Carina blickte sich um.
»Wie trostlos es hier aussieht.«
»Das kannst du laut sagen.«
»Krister Berggren muss ein sehr einsamer Mensch gewesen sein.«
Sie fröstelte.
Vor dem Fenster zwitscherte fröhlich ein Buchfink, unberührt von dem, was sich in den Häusern rundherum abspielte. Die typische Öde, die Stockholm im Hochsommer prägte, machte sich deutlich bemerkbar. Wer irgend konnte, floh vor dem heißen Asphalt und der stickigen Luft, packte seine Siebensachen und machte sich auf zum nächsten Badestrand. Zurück blieb nur, wer kein Geld oder keine Möglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher