Tödlicher Mittsommer
hatte. Nur, dass die Kinder es toll fanden. Sie thronten stolz und ziemlich selbstbewusst auf dem Rücksitz und machten das Siegeszeichen.
Plötzlich merkte Thomas, dass etwas Carinas Aufmerksamkeit erregt hatte. Sie versuchte, einen Briefumschlag hinter einem großenFoto von Kristers Mutter hervorzuziehen, das die ganze Albumseite einnahm. Vorsichtig öffnete sie das Kuvert und begann zu lesen, und je länger sie las, desto mehr runzelte sie die Stirn. Nach einigen Minuten blickte sie mit glänzenden Augen hoch.
»Thomas, ich glaube, ich habe die fehlende Verbindung gefunden, nach der wir die ganze Zeit suchen!«
Thomas war sofort hellwach.
»Was meinst du?«
Wortlos reichte sie ihm den Brief und den Umschlag, in dem er gesteckt hatte.
»Für meinen Sohn Krister«, stand auf dem Kuvert. »Zu öffnen nach meinem Tod.«
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Kapitel 69
Thomas nahm den Brief und betrachtete ihn mit dem plötzlichen Gefühl, des Rätsels Lösung in der Hand zu halten.
Dann faltete er das Papier auseinander und begann zu lesen.
»Lieber Krister, ich habe dir nie gesagt, wer dein Vater ist«, begann der Brief. Er war zwei Seiten lang, abgefasst in derselben zierlichen Handschrift wie in den Fotoalben. Mit Datum vom vergangenen Jahr. Auf dem Umschlag klebte keine Briefmarke. Vermutlich war er nicht per Post geschickt, sondern Krister persönlich übergeben worden.
Thomas las den Brief langsam und sorgfältig durch. Als er fertig war, hielt er ihn noch eine Weile stumm in der Hand. Dann wandte er sich an Carina, die ihn die ganze Zeit aufmerksam beobachtet hatte.
»Jetzt wissen wir, welche Verbindung Krister Berggren zu Sandhamn hatte.«
Sie nickte.
»Und wer sein Vater ist«, ergänzte sie.
Thomas hielt den Brief hoch.
»Er hatte allen Grund, auf die Insel zu fahren.«
»Ja, vor allem, wenn er es nach dem Tod seiner Mutter erfahren hat«, sagte Carina. »Sie ist ja Ende Februar gestorben, und er verschwand in den letzten Märztagen. Er muss ziemlich bald nach ihrer Beerdigung beschlossen haben, Kontakt aufzunehmen.«
Thomas betrachtete ein Foto von Krister. Auf dem Bild blickte er an der Kamera vorbei, so als wartete er auf jemanden oder etwas, der oder das nie kam.
»Er erfuhr also plötzlich, wer sein Vater war und dass er noch mehr lebende Verwandte außer Kicki hatte«, sagte er.
Carina strich sich die Haare aus dem Gesicht. Sie beugte sich über ein Foto, auf dem Cecilia Berggren mit ihrem Sohn auf dem Schoß aufmerksam in die Kamera sah.
»Was für ein Schock muss das gewesen sein«, sagte sie. »Nach all diesen Jahren. Merkwürdig, dass die Mutter ihm nie etwas gesagt hat.«
»Vielleicht hat sie sich geschämt.«
»Oder sie wollte den Vater schützen.«
»Oder Krister«, sagte Thomas. »Wir wissen nicht, wie sein Vater war. Vielleicht wollte er nichts mehr von ihr wissen, als sie schwanger wurde. Sogar ihre eigene Familie hat ja den Kontakt zu ihr abgebrochen. Der Einzige, der sie unterstützte, war ihr Bruder, Kickis Vater.«
Thomas versuchte sich zu erinnern, was Kicki erzählt hatte, als sie bei ihm auf der Wache war. Cecilia hatte ihren Sohn ohne jede Hilfe ihrer Eltern großgezogen. Der Überlebenskampf war hart gewesen, sie hatte jede Öre zweimal umdrehen müssen. Cecilia war von der Schule abgegangen und hatte gleich nach Kristers Geburt im Systembolaget angefangen.
»Als er den Brief gelesen hat, muss er beschlossen haben, Ostern nach Sandhamn zu fahren und seine Verwandten aufzusuchen«, sagte Thomas.
»Die vielleicht nicht einmal wussten, dass es ihn gab.«
»Richtig. Es ist nicht gesagt, dass jemand von seiner Existenz wusste.«
»Außer dem Vater«, warf Carina ein.
»Aber irgendwas passiert auf der Fahrt dorthin, oder als er ankommt«, sagte Thomas.
»Etwas, das seinen Tod zur Folge hat.«
»Und danach den Tod seiner Cousine.«
»Falls die Todesfälle miteinander zusammenhängen.«
Thomas machte ein fragendes Gesicht. »Warum sollten sie nicht zusammenhängen?«
»Krister Berggrens Tod kann ja ein Unfall gewesen sein. Vielleicht ist ihm auf der Fähre nach Sandhamn etwas zugestoßen. Er ist über Bord gefallen und ertrunken. Kann doch sein.«
»Und Kicki?«
»Keine Ahnung.« Carina zog eine Grimasse. »Ich vermute, es ist wohl ziemlich unwahrscheinlich, dass sie so kurz danach rein zufällig ermordet wurde.«
»Außerdem ist Jonny Almhult tot und Philip Fahlén liegt im Krankenhaus, ohne dass wir dafür eine plausible Erklärung haben«, erinnerte Thomas sie. Ihm fiel
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