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Tödlicher Mittsommer

Tödlicher Mittsommer

Titel: Tödlicher Mittsommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Viveca Sten
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würde alles wieder wie vorher sein.«
    Signe schwieg einen Moment und schloss die Augen, als versuchte sie, etwas auszulöschen.
    »Das habe ich jedenfalls geglaubt«, fügte sie hinzu.
    Sie atmete tief durch. In ihrer Stimme lag beinahe so etwas wie Erleichterung darüber, berichten zu können, was passiert war.
    »Dann wurde seine Leiche auf Sandhamn angeschwemmt. Ich wusste sofort, dass er es war, und ich hatte keine Ahnung, was ich machen sollte. Ich war davon ausgegangen, dass ich nie wieder einen Gedanken an ihn verschwenden müsste.«
    Nora vergrub das Gesicht in den Händen. Sie wagte fast nicht, die nächste Frage zu stellen.
    »Was ist mit seiner Cousine passiert? Der Frau, die tot im Missionshaus lag?«
    Signe verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Hände öffneten und schlossen sich krampfhaft, während sie antwortete.
    »Dieses schreckliche Weib. Sie tauchte einfach aus dem Nichts auf. Behauptete, sie sei Kristers Cousine. Seine einzige Verwandte und Erbin. Sie verlangte ihren Anteil aus dem Vermögen.«
    Nora konnte kaum atmen.
    »Also hast du sie auch umgebracht?«
    Signe wandte sich ab.
    »Ich konnte doch nicht zulassen, dass sie mir mein Haus wegnimmt. Sie waren selbst schuld. Alle beide. Wenn sie einfach von Sandhamn ferngeblieben wären, hätte nichts von alledem passieren müssen.« Ihre Stimme zitterte vor unterdrückter Wut. »Was dachten die eigentlich, wer sie sind? Was für ein Recht hatten sie, hierherzukommen und mein Leben zu zerstören?«
    Nora wusste nicht, was sie sagen sollte. Ihre Zunge war wie ein gefühlloser Klumpen, unfähig, Worte zu artikulieren.
    »Und Jonny Almhult?«, brachte sie schließlich hervor.
    Die Worte klangen wie ein Flüstern, abgehackte Silben, die durch den engen Turm irrten, in dem es jetzt fast völlig dunkel war.
    Signe schüttelte energisch den Kopf.
    »Mit Jonnys Tod habe ich nichts zu tun. Ich habe keine Ahnung, was ihm zugestoßen ist, das versichere ich dir.«
    Nora wusste nicht mehr, was sie glauben sollte.
    Hatte Signe wirklich zwei Menschen getötet? Ihre Tante Signe, die sie von Kindesbeinen an kannte?
    Die Extra-Oma ihrer Kinder.
    Signe hatte sich umgedreht und begonnen, die Treppe hinunterzugehen.
    »Es wird dunkel. Du hast wohl keine Scheinwerfer auf dem kleinen Boot?«
    Stumm schüttelte Nora den Kopf. Sie fror so sehr, dass ihre Zähne aufeinanderschlugen. Nach ein paar Minuten erhob sie sich mühsam und stieg vorsichtig die glatten Treppenstufen hinunter. Signe hatte schon den zweiten Absatz erreicht.
    Nora passierte den kleinen Gang, der nirgendwo hinführte. Sie ging langsam, um auf den unebenen Stufen nicht auszurutschen. Sie konnte kaum etwas sehen, und die kleine Taschenlampe nützte auch nicht viel.
    Da hörte sie, wie weiter unten eine Tür ins Schloss fiel.
    »Signe, warte!«, rief sie und beschleunigte ihre Schritte, so gut es ging.
    Plötzlich stolperte sie und fand in der Dunkelheit nichts, um sich abzustützen. Hilflos fiel sie die letzten Stufen hinunter und schlug mit der Schläfe auf dem harten Steinboden auf. Dumpf hörte sie Signes Stimme durch die Tür.
    »Es tut mir leid, Nora, aber ich muss etwas erledigen. Ich sorge dafür, dass man dich morgen abholt.«
    Nora sank in sich zusammen. Das Letzte, was in ihr Bewusstsein drang, war das Echo von Schritten, die eilig die Treppe hinunter verschwanden.

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Kapitel 73
    Als Nora wieder zu sich kam, war es stockfinster um sie herum. Sie fragte sich, wie lange sie wohl bewusstlos gewesen war. Ob Minuten oder Stunden, ließ sich unmöglich sagen.
    Sie versuchte sich zu orientieren und richtete sich auf. Sofort wurde ihr schwindlig und übel. Mühsam kam sie auf die Knie und tastete sich zur Tür vor. Sie versuchte, sie zu öffnen, aber die Tür bewegte sich keinen Millimeter.
    Sie war eingesperrt.
    Tränen stiegen ihr in die Augen. Sie biss sich hart auf die Lippe.
    Nicht heulen, ermahnte sie sich. Nicht heulen. Sie musste einen klaren Kopf behalten. Wie kam man hier raus?
    Wieder wallte die Übelkeit in ihr auf. Mit viel Mühe gelang es ihr, den Brechreiz zu überwinden. Sie zitterte am ganzen Körper, aber sie konnte nicht sagen, ob der Sturz schuld daran war oder ihr sinkender Blutzuckerspiegel.
    Das taube Gefühl in Lippen und Zunge deutete auf Letzteres hin. Es war ein sicheres Zeichen für eine beginnende Hypoglykämie, gefährlich niedrigen Blutzucker.
    Verzweifelt durchforstete sie ihr Gehirn. Wann hatte sie heute Abend das Insulin gespritzt? Es musste gegen halb neun

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