Tödlicher Mittsommer
die Gerichtsmedizin nach Solna abtransportiert.
Anschließend verbrachte Thomas ein paar Stunden in der Meldestelle, die ihm mittlerweile schon zu einem zweiten Zuhause geworden war. Er ging in das kleine Besprechungszimmer im ersten Stock, das als provisorisches Ermittlungsquartier diente, und füllte die nötigen Protokolle aus. Danach rief er den Alten und Margit an, um zu berichten, dass der zur Fahndung ausgeschriebene Jonny Almhult nun gefunden worden war.
Tot. Vermutlich ertrunken.
Mit einer gewissen Mühe konnte er den Alten überreden, ihn noch eine Weile auf Sandhamn arbeiten zu lassen, statt ihn zurück aufs Festland zu beordern, um an einer hastig einberufenen Pressekonferenz teilzunehmen, die für neunzehn Uhr angesetzt war. Rechtzeitig zu den Abendnachrichten.
Als Grund gab Thomas an, jemand müsse Ellen Almhult informieren, dass ihr Sohn nicht mehr am Leben war.
Das war keine angenehme Aufgabe. Aber für ihn war es eine Sache des Anstands, damit niemand anderen zu beauftragen. Außerdem war die Vorstellung, in einer Pressekonferenz sitzen zu müssen, alles andere als verlockend. Es gab genug Kollegen, die das mit Freuden übernahmen.
Der Alte hatte gemurrt, sich aber schließlich breitschlagen lassen, nicht ohne sich über all die Idioten zu beklagen, die Informationen von ihm verlangten, die er nicht liefern konnte. Der Stockholmer Polizeidirektor erwartete tägliche Berichterstattung und zeigte gleichzeitig deutlich sein Missfallen darüber, dass man ihn im Urlaub störte.
Worüber beklagte der sich? Er hatte doch wenigstens Urlaub.
Der Alte hatte nicht viel für Schreibtischhengste aus den oberen Etagen übrig, die den Männern vor Ort im Nacken saßen. Ermittlungsarbeit braucht Zeit und Ruhe, war sein ewiges Mantra gegenüber jedem, der sich einmischen wollte.
Mit finsterer Miene starrte Thomas auf den Kalender an der beige gestrichenen Wand.
Achtzehn Tage waren jetzt seit jenem strahlenden Hochsommermorgen vergangen, an dem man Krister Berggrens Leiche am Weststrand von Sandhamn gefunden hatte.
Achtzehn Tage, das bedeutete vierhundertzweiunddreißig Stunden seit dem Auftauchen des ersten Toten. Wenn sein Taschenrechner nicht log, hatten sie also fast fünfundzwanzigtausendneunhundertzwanzig Minuten Zeit gehabt herauszufinden, warum erst Krister Berggren und danach seine Cousine ums Leben gekommen waren.
Wenn ihnen das gelungen wäre, würde Jonny Almhult heute vielleicht noch leben, anstatt mit dem Gesicht im Wasser treibend vor dem Trouvillestrand gefunden zu werden.
Und Witwe Almhult hätte nicht ihren einzigen Sohn verloren.
Im tiefsten Innern zweifelte Thomas nicht daran, dass die drei Menschen von ein und demselben Täter ermordet worden waren. Sein Instinkt sagte ihm, dass die Todesfälle miteinander in Zusammenhang standen. Irgendjemand geisterte dort draußen herum, der sich nicht scheute, jeden umzubringen, der ihm im Weg stand.
Aber wie sollten sie diesen Jemand finden?
Thomas ballte seine Fäuste so hart, dass ihm die Finger wehtaten.
Wenn er ehrlich sein sollte, hatte er nicht die leiseste verdammte Ahnung, warum der oder die Täter die drei Menschen umgebracht hatten. Fest stand nur, dass auf Sandhamn ein Mörder sein Unwesen trieb.
Und dass die Polizei weder wusste, wer das war, noch wie man verhindern konnte, dass er ein weiteres Mal mordete.
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Kapitel 33
Die Stimmung in der Meldestelle war gedämpft und bedrückt. Die Anzeigen, die hereinkamen, wurden lustlos entgegengenommen. Die meisten derjenigen, die im Dienst waren, saßen in Gruppen zusammen und unterhielten sich leise. Auch wer eigentlich schon Feierabend hatte, war geblieben und beteiligte sich an den Gesprächen.
Jeder kannte Ellen und ihre Familie.
Jonnys Vater Georg Almhult war einer von ihnen gewesen. Ein echter Einheimischer, auf Sandhamn geboren. Zwar hatte er sich des Öfteren kräftig einen hinter die Binde gekippt, aber er war nie unangenehm oder gewalttätig geworden.
Als Ellen Almhult noch jünger war, hatte sie ein scharfes Mundwerk gehabt, deshalb brachte man durchaus ein gewisses Verständnis dafür auf, dass ihr Mann Zuflucht im Alkohol gesucht hatte.
Im Laufe der Jahre war sie mit diesem oder jenem aneinandergeraten, aber in einer Stunde wie dieser vergaß man den alten Groll.
Die Trauer um einen Inselbewohner mischte sich mit der Angst vor dem, was passiert war und wieder passieren konnte. Die Unruhe durchbrach alle Fassaden und spiegelte sich in den Augen.
Einige der Frauen
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