Tödlicher Schnappschuss
nennen könnten?«
Die resolute Dame dachte
angestrengt nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Nein, ich
kannte keine der Frauen. Sie wechselten so schnell, ich hatte nicht einmal
die Möglichkeit, mich mal mit einer der Frauen zu unterhalten.«
Also gut, hoffnungslos,
dachte Ulbricht.
Andere Strategie.
»Wissen Sie, was er
fotografierte? Ich meine, auf welche Motive war er spezialisiert?«
»Er hat einfach alles
fotografiert. Wahrscheinlich hat er das Haus niemals ohne seinen
Fotoapparat verlassen, hatte wohl immer Angst, dass er dann das Motiv
seines Lebens verpassen könnte.« Nun lächelte Martha
Hutmacher wieder.
»Hat er davon leben können?«
»Absolut, ja. Er hat
mir die Miete immer schon ein paar Tage vor dem Ersten gebracht.«
»Gebracht?«
»Ja, er hat sie mir
meistens in bar gegeben. Mir war das egal, solange die Scheine echt waren.«
Sie kicherte. »Und das waren sie. Ich gehöre zur alten
Generation, Herr Kommissar. Und zu meinen Zeiten war Bargeld das
Zahlungsmittel schlechthin. Diese Dinge, wie man heute bezahlt, im
Internet und so, das war mir immer suspekt. Da sind zu viele Verbrecher
unterwegs, aber das müssen Sie ja besser wissen.« Wieder ein
Kichern, dann schüttelte sie den Kopf. »Er hatte offenbar ein
gutes Auskommen. Herr Vorberg verkaufte seine Fotos an Zeitungen und
Verlage, er war schon recht angesehen in der Branche, glaube ich.«
»Hat er auch hier im
Haus gearbeitet?«
»Das weiß ich
nicht, aber ich glaube nein. Wenn er Porträts von Menschen oder große
Dinge aufgenommen hat, dann hat er sich von einem Bekannten das Studio
geliehen.«
»Wissen Sie, wie ich
diesen Bekannten erreichen kann?«
Die alte Dame dachte
angestrengt nach und schüttelte immer wieder den Kopf. »Es fällt
mir noch ein«, versprach sie. »Kommen Sie einfach noch einmal
vorbei - ich muss erst meine Gedanken ordnen. Was wird denn jetzt mit der
Wohnung?«
»Sie werden sich wohl
bald einen neuen Mieter suchen müssen.«
»Schrecklich. Aber erst
muss doch die Spurensicherung da rein, oder?«
Ulbricht lächelte.
Martha Hutmacher schien sich bestens auszukeimen. »Das ist wahr.
Aber die Kollegen vom Fachdezernat sind sicherlich schnell, und dann können
Sie über die Räumlichkeiten verfügen.«
»Und nun?« Sie
wirkte ratlos. »Wie kann ich Ihnen denn helfen?«
»Als seine Vermieterin
haben Sie sicherlich einen Schlüssel zur Wohnung?« Ulbricht
hatte genug gehört. Er wollte endlich mit der Recherche beginnen und
wissen, worauf es der Mörder abgesehen hatte. Ulbricht war sicher,
dass sich das Geheimnis in der Wohnung von Christian Vorberg befand.
»Natürlich.«
Sie zögerte. »Aber ich weiß nicht, ob ich das darf. Sie
benötigen für so was doch einen Durchsuchungsbefehl?«
»Beschluss.« Nun
musste Ulbricht grinsen. Die alte Frau sieht wirklich zu viele schlechte
Krimis, dachte er. »Es heißt Durchsuchungsbeschluss. Aber ich
kann Sie beruhigen: Erstens ist das inzwischen nur noch eine Formalie, die
ich durch den Staatsanwalt und den Richter nachreichen lassen kann.
Abgesehen davon, handelt es sich um die Wohnung eines Mordopfers, in der
ich ermitteln muss. Sie ersparen sich also die Kosten für den Schlüsseldienst,
wenn Sie mir dort Einlass gewähren, Frau Hutmacher.« Er erhob
sich.
»Na gut, wie Sie
meinen.« Auch Martha Hutmacher stand auf und ging in gebückter
Haltung zu der kleinen Kommode im Flur. »Sie werden schon wissen,
was Sie tun.« Aus einer Schublade nahm sie einen Schlüssel, den
sie Ulbricht überreichte. »Hier«, sagte sie. »Zu
treuen Händen. Den hätte ich gern wieder, wenn Sie fertig sind.«
»Selbstverständlich«,
nickte Ulbricht. Nun stand er kurz vor der ersten heißen Spur, und längst
hatte er vergessen, dass er sich im Weserbergland aufhielt, um von der nie
endenden Verbrecherjagd ausspannen zu wollen. Eigentlich…
DREI
Wie er erwartet hatte, gab es
an der Tür keine Einbruchspuren. Dieser Umstand und die Tatsache,
dass man bei dem Toten keinen Schlüssel gefunden hatte, stärkten
Ulbrichts Verdacht, dass Vorbergs Mörder etwas Bestimmtes in der
Wohnung suchte oder gesucht hatte. Eilig fummelte Norbert Ulbricht den
Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. In Vorbergs
Wohnung roch es muffig; wahrscheinlich hatte er schon länger nicht
mehr gelüftet. Die Wohnung war ähnlich geschnitten wie die der
Weitere Kostenlose Bücher