Tödlicher Schnappschuss
vor, und Ulbricht
folgte ihr in ihre Wohnung. Es roch nach Mittagessen. Sie murmelte eine
Entschuldigung und verschwand in der Küche, um den Herd abzuschalten.
Auf verbranntes Essen habe sie keine Lust, bemerkte sie, während
Ulbricht sich umblickte. An den Wänden vergilbte Tapeten mit
Blumenmuster, das Mobiliar mehrere Jahrzehnte alt, aber sehr gut erhalten
und sauber. Auf der Kommode im Flur eine blütenreine Spitzendecke,
darauf eine Vase mit künstlichen Blumen. Von Staub keine Spur. Martha
Hutmacher erschien im Flur, zog die Küchentür zu und führte
ihren Gast in das Wohnzimmer. Auch hier beherrschten alte Möbel das
Bild. Auf dem Sofa grausam gemusterte Überwürfe; an der Wand
hinter dem Sofa das Ölgemälde eines Alpenpanoramas in einem
wuchtigen Holzrahmen. Ulbricht sank auf das Sofa und spürte den
angenehm harten Federkern, der anscheinend noch nie ein hüpfendes
Kind ertragen hatte. Auf dem Tisch eine Brille, ein aufgeschlagenes
Kreuzworträtselheft und eine Fernsehzeitung. Frau Hutmacher ließ
sich auf dem Sessel nieder, legte die Hände auf die Armlehnen und
blickte ihren Gast fragend an. »Ist etwas mit Herrn Vorberg?«
»Kannten Sie ihn gut?«
»Wir lebten einige
Jahre gemeinsam in diesem Haus. Dies ist das Haus meiner Eltern, müssen
Sie wissen.« Kurz huschte der Ansatz eines wehmütigen Lächelns über das faltige Gesicht der
alten Dame. »Sie lebten in der Wohnung oben. Ich habe sie vermietet,
um meinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, das ist ja mit der
staatlichen Rente kaum noch möglich. Und außerdem hasse ich es,
alleine in einem so großen Haus zu wohnen. Also vermiete ich die
Wohnung. Und Herr Vorberg wohnte seit zwei Jahren hier.«
»Sie reden in der
Vergangenheit«, stellte Ulbricht fest.
»Sie haben damit
angefangen.« Martha Hutmachers Verstand war wacher, als Ulbricht
gedacht hatte, das musste er ihr lassen. Ihr Kopf ruckte hoch, darin
nickte sie nachdenklich. Vielleicht täuschte sich Ulbricht, aber er
glaubte, dass die Augen der alten Frau feucht schimmerten. »Ich bin
keine zwanzig mehr«, murmelte sie und seufzte. »In meinem
Leben habe ich schon so manchen Kriminalroman gelesen und viele Krimis im
Fernsehen geschaut. Halten Sie mich also nicht für dumm - Sie sind
hier, um mich über den Tod meines Mieters zu unterrichten, habe ich
recht?« Ihre Hände wischten über den Stoff der Armlehnen.
Sie zupfte nach imaginären Flusen, während sie Ulbricht mit
versteinerter Miene anblickte.
»Leider haben Sie
recht, ja.« Nun war es raus, und Ulbricht musste sich eingestehen,
dass er es sich schwerer vorgestellt hatte. »Christian Vorberg wurde
ermordet. Auf der Burg Polle, um genau zu sein.«
Wieder ein nachdenkliches
Nicken, ihr Blick glitt ins Leere, doch sie schwieg. Das einzige Geräusch
im Raum war das Ticken der alten Wanduhr mit dem hochglanzlackierten
Nussbaumgehäuse. Die goldenen Pendel schwangen gleichmäßig
nach links und rechts.
»Ich habe es gewusst -
irgendwie«, brach Frau Hutmacher das Schweigen.
»Warum?« Ulbricht
richtete sich im Sofa auf und blickte die alte Dame aufmerksam an. Er
legte die Fingerspitzen beider Hände aneinander, das tat er immer,
wenn er angestrengt nachdachte und keine Zigarette rauchen durfte oder
wollte.
Jetzt hätte er gern
geraucht, doch erstens befand er sich in einer fremden Wohnung, und
zweitens war er gerade dabei, sich das verdammte Rauchen abzugewöhnen.
»Er war ein seltsamer
junger Mann, lebte nur für die Fotografie.«
»Was ist daran seltsam?«
»Nun, das Fotografieren
war weitaus mehr als nur sein Hobby. Er war ein Kauz, lebte hier sehr zurückgezogen.
Ich glaube, er hatte auch nicht viele Freunde.« Dann lachte sie
humorlos auf. »Nur die Frauen. Die kamen zu ihm.«
»Hatte er wechselnde
Partnerinnen?«
»Das kann man wohl
sagen.« Die alte Dame nickte. »Manchmal ging es im Haus zu wie
im Taubenschlag. Ich habe ihn mir mehrmals zur Brust genommen und ihm
gesagt, dass ich das nicht möchte. Was sollen denn die Leute denken?
Das kommt doch alles auf mich zurück. Und ich will nicht, dass man
mir nachsagt, ich würde ein Freudenhaus betreiben.« Sie schüttelte
das ergraute Haupt. »Er hätte sich doch einmal für eine
der Damen entscheiden können - so jung war er doch auch nicht mehr.«
»Können Sie sich
an die Damen erinnern, ich meine, gibt es Namen und Adressen, die Sie mir
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