Tödlicher Schnappschuss
gestritten, manchmal auch vor den Augen der Tochter. Als die
Werkstatt, in der er sieben Jahre lang gearbeitet hatte, in die Insolvenz
ging, wurde er arbeitslos, und das Unheil nahm seinen Lauf: Sie mussten
den Gürtel enger schnallen - ein Umstand, der Mona nicht gefallen
hatte. Als sich dann auch noch Mahnungen und Vollstreckungsbescheide häuften,
war sie der Herausforderung, das gemeinsame Leben auch in wirtschaftlich schweren Zeiten zu meistern, nicht
mehr gewachsen gewesen. Sie hatte die Konsequenz gezogen und ihn vor die Tür
gesetzt.
Paul Kuhnert hatte sich die
kleine Wohnung in der Sollingstraße gesucht und lebte fortan allein.
Seit einem halben Jahr war er von Mona geschieden, und Jennifer, die mit
ihrer Mutter in einem kleinen Häuschen in der Straße Am
Hasenstieg lebte, sah er nur selten. Obwohl Kuhnert sich im Laufe der Zeit
mit seinem Leben arrangiert hatte, so hasste er die Einsamkeit, die ihn
umgab, wenn er abends die Wohnung aufschloss.
So war es auch diesmal.
Nachdem er Schuhe und Jacke ausgezogen hatte, ging er mit der Post in der
Hand in die kleine Küche. Eine Einbauküche besaß er nicht
- die Einrichtung bestand aus zusammengewürfelten Baumarktküchenmöbeln
in einem neutralen Weiß. Kuhnert warf die Briefe auf den klapprigen
Küchentisch und nahm ein Bier aus dem Kühlschrank. Er öffnete
die Flasche und trank einen großen Zug, trat ans Fenster und blickte
hinaus. Das Küchenfenster lag an der Hinterseite des Hauses, und er
hatte einen Ausblick auf eine kleine Hinterhof-Idylle. Hier standen die Mülltonnen,
eine verrottete Holzbank und ein Sandkasten, in dem das Unkraut wucherte,
weil hier schon seit Jahren kein Kind mehr gespielt hatte. Unkraut wuchs
auch in den Fugen zwischen den Betonplatten, mit denen der kleine Hof
ausgelegt war. Vielleicht sollte er sich um das Haus kümmern, nach
Feierabend, für ein kleines Taschengeld vom Vermieter. Oder gegen
eine Mietpreissenkung.
Kuhnert nahm einen weiteren
Schluck aus der Flasche und beschloss, Hans Sperling in den nächsten
Tagen darauf anzusprechen.
Seine Gedanken kreisten plötzlich
um die Kundin an der Tankstelle, die schon seit einiger Zeit mit ihm
flirtete. Sie sah mehr in ihm als den Mann an der Tankstelle - sie nahm
sich Zeit für ein paar private Worte und bat ihn ab und zu, nach dem
Ölstand an ihrem Golf zu sehen. Aber es war mehr. An ihrer Art, ihn
anzusehen und an der Art wie sie sich bewegte und mit ihm sprach, erkannte
er, dass die schöne Unbekannte ein reges Interesse an ihm zu hegen
pflegte. Er kannte ihren Namen nicht und er wusste weder, wo sie wohnte,
noch welchem Beruf sie nachging - sie waren sich sympathisch und er genoss
die Zuneigung, die sie ihm schenkte. Schon öfter hatte er überlegt,
sie nach ihrer Telefonnummer zu fragen, sich aber nie getraut. Immerhin
war sie eine Kundin und er nur der kleine Angestellte einer Tankstelle.
Doch wenn sie den ersten Schritt tun würde, da war er sicher, würde
er nicht nein sagen.
Ihm war warm ums Herz
geworden, als vor seinem geistigen Auge das Bild der Frau auftauchte, um
die sich seine Gedanken in letzter Zeit immer häufiger drehten. Mit
einem nachdenklichen Lächeln trank er von seinem Bier, blickte sich
in der Küche um und war sich plötzlich gar nicht sicher, ob er
diese Frau nach Hause einladen konnte. Seine Wohnung war klein und sehr
einfach eingerichtet; er war auch kein perfekter Hausmann. Sicherlich würde
sie sich bei ihm nicht sehr wohlfühlen.
Kuhnert seufzte. Wie sollte
er denn an eine neue Frau kommen, wenn er sich nicht einmal traute, sie zu
sich einzuladen, aus Angst, sich mit seiner bescheidenen Bleibe zu
blamieren? Das Klingeln der Türglocke riss ihn aus den Gedanken. Er
stellte die Bierflasche auf dem Küchentisch ab und erreichte mit
wenigen langen Schritten die Wohnungstür.
Obwohl er keinen Besuch erwartete, drückte er den Türöffner.
Im Treppenhaus summte es, dann hörte er, wie unten die Haustür
geöffnet wurde. Schritte näherten sich; Kuhnert tippte auf zwei
Personen. Vorsichtig lugte er durch den Türspion und erschrak, als er
zwei uniformierte Polizisten erblickte, die sich vor seiner Wohnung
aufbauten. Einer von ihnen hob die Hand und betätigte noch einmal den
Klingelknopf.
Paul Kuhnert öffnete die
Tür. »Ja bitte?«
»Herr Kuhnert? Paul
Kuhnert?« Der ältere der beiden musterte ihn.
»Ja, der bin
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