Tödlicher Schnappschuss
aus.
»Scheiße, was ist
denn das?«, zischte er erschrocken und versuchte den Wagen wieder
unter Kontrolle zu bringen. Doch in der Lenkung blockierte etwas, und der
Toyota rollte unbeirrt geradeaus. Er nahm den Fuß vom Gas und trat
das Bremspedal durch, doch es war bereits zu spät. Der Wagen raste
mit nahezu unverminderter Geschwindigkeit aus der Kurve. Er war froh, dass
ihm kein anderes Fahrzeug im Scheitelpunkt der Kurve entgegenkam. Der
Wagen rumpelte von der Straße in eine kleine Böschung. Er wurde
in den Sicherheitsgurt gepresst, als es einen harten Aufschlag gab. Blech
kreischte und Glas splitterte. Die Reifen schleuderten Matsch und
Gesteinsbrocken durch die Luft, und er sah ein großes Kunststoffteil
seitlich am Wagen vorbeifliegen. Im gleichen Augenblick spürte er den
stechenden Schmerz an der Schläfe. Der Wagen war vor einen dicken
Baumstamm gerast, so viel konnte er noch durch die gesplitterte
Windschutzscheibe erkennen. Die zerbeulte Motorhaube ragte vor ihm in die
Höhe. Er wollte sich bewegen, war aber zu keiner Bewegung imstande.
Den Motor hatte er abgewürgt, und Rauch kräuselte sich aus der
Haube. Panik erfasste ihn, sein Herz raste, und er fühlte sich
ausgeliefert. Dennoch reagierten seine Beine nicht. Würde er von
jetzt an gelähmt sein?
Er spannte die Muskeln an,
wollte den Sicherheitsgurt lösen, doch es war bereits zu spät.
Ihm wurde heiß, und er spürte die Übelkeit in sich
aufsteigen. Kurz sah er Blitze vor seinen Augen aufleuchten, dann wurde es dunkel um ihn herum.
Leblos sackte er im Sitz zusammen.
Sollingstraße,
Holzminden, 19.35 Uhr
Wie immer legte er die paar
Meter von der Esso-Station bis zu seiner Wohnung mit dem alten Fahrrad zurück.
Das Auto nutzte er nur für größere Einkäufe oder
weitere Fahrten. Die Benzinpreise waren so hoch wie schon lange nicht
mehr, und er sparte, wo er konnte. Es war ein milder Frühsommerabend,
der Verkehr auf der Hauptstraße ließ langsam nach, und die Vögel
in den Bäumen hatten ihr abendliches Konzert angestimmt. Er liebte
diese Zeit, wenn die Hektik des Arbeitstages langsam nachließ und
die Stadt sich auf einen ruhigen Feierabend vorbereitete.
Ein Duft von frischen Blüten
hing in der Luft, und Paul Kuhnert atmete tief durch, während er am
Straßenrand entlangradelte. Er hatte Zeit, und es wartete niemand
auf ihn. Dann hatte er das kleine Mietshaus erreicht. Er stieg vom Rad und
schob es durch den kleinen Vorgarten zum Hauseingang. Umständlich
fummelte er den Hausschlüssel aus der Hosentasche.
In der Post waren nur ein
paar Rechnungen und Reklame. Wer sollte ihm auch schreiben? Paul Kuhnert
schob das Fahrrad in den Keller und begab sich ins erste Stockwerk des
Mietshauses. Hier lag seine Junggesellenwohnung, die er seit seiner
Scheidung von Mona bewohnte. Das Geld war seit der Trennung knapp für
den 38-jährigen, doch er war eine echte Kämpfernatur und ließ
sich nicht unterkriegen. Nachdem er fast drei Jahre lang von Hartz IV
gelebt hatte, war er über einen Bekannten an den Job auf der
Tankstelle gekommen. Acht Stunden lang stand er an der Kasse, ab und zu
konnte er mal an einem der Kundenfahrzeuge nach dem Rechten sehen. Sein
Chef war zufrieden mit dem gelernten Kfz-Mechaniker. Die Tatsache, dass
Kuhnert technisch begabt war, machte ihn auf der Tankstelle zum Mädchen
für alles. Egal ob es an der Waschanlage etwas zu reparieren gab oder
ein Kunde mit dem Münzstaubsauger den Aschenbecher seines Autos
leergesaugt hatte und die Anlage verstopft war - Kuhnert richtete es mit
seiner ruhigen Art. Viel verdiente er nicht auf der Tankstelle, aber es
reichte, um die laufenden Kosten zu bestreiten. Das, was übrig war,
überwies er brav auf das Konto seiner Exfrau, die seit der Scheidung
ausschließlich Hausfrau war und sich um ihre gemeinsame achtjährige
Tochter Jennifer kümmerte.
Das Leben als Junggeselle war
nicht das, was sich Kuhnert unter einem harmonischen Leben vorstellte,
aber die Frau fürs Leben konnte er sich nicht backen, und das Leben
an der Seite seiner Exfrau fortzuführen, kam für ihn nicht in
Frage. Im Laufe der Zeit hatte sich Mona zu ihrem Nachteil verändert.
Sie war materialistisch geworden, legte Wert auf ein eigenes Auto und auf
mindestens zwei Urlaube im Jahr. Doch das war noch nie möglich
gewesen, und sie hatte ständig an ihm herumgenörgelt. Sie hatten
oft
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