Tödlicher Schnappschuss
Fotostudios war also anwesend.
Ulbricht legte den Finger auf
den Klingelknopf und lauschte verzückt der hellen Glocke, die im Haus
erklang. Als er sich gegen die Haustüre lehnte, stellte er fest, dass
sie offenbar nur angelehnt war, denn er hatte Mühe, nicht das
Gleichgewicht zu verlieren und ins Haus zu fallen. Der peinliche Auftritt
blieb ihm jedoch erspart, und so fand er sich im nächsten Augenblick
in einem langen, taghell erleuchteten Korridor wieder. An den weißgetünchten
Wänden erblickte er riesengroße Schwarzweißfotografien in
gläsernen Rahmen, die von Halogenspots ins rechte Licht getaucht
wurden. Ulbricht betrachtete die Aufnahmen, die kunstvoll in Szene
gesetzte, spärlich bekleidete Frauenkörper zeigten.
Die großformatigen
Bilder waren jedoch nicht pornographisch, sondern setzten sich sehr
stilvoll mit den Schönheiten der Frauen auseinander. Obwohl Ulbricht
nicht viel davon verstand, so sah er gleich, dass der Fotograf das
Zusammenspiel von Licht und Schatten beherrschte. Vor dem Bild einer
kurvigen Dame in halterlosen Strümpfen und einer schwarzen
Spitzenkorsage blieb er stehen und hätte um ein Haar anerkennend
gepfiffen.
»Guten Tag, mein Herr,
was kann ich für Sie tun?«
Als er die näselnde
Stimme hinter sich vernahm, riss er sich vom Anblick der leicht
bekleideten Schwarzhaarigen los und wirbelte herum. Ulbricht hatte keine
Schritte gehört, und so blieb ihm nur die Vermutung, dass sich sein
Gegenüber lautlos genähert hatte. Das Gesicht des Mannes, den
Ulbricht um die dreißig schätzte, war braun gebrannt; dazu
bildeten das weiße Hemd und die helle Markenjeans einen Kontrast. Er
hatte sich die Haare gegelt; oberhalb der Stirn steckte eine Sonnenbrille
im Haar. Eine feine Aftershave-Wolke umgab den Mann, den Ulbricht auf den
ersten Blick als schwul einstufte.
»Herr Maar? Herr
Torsten Maar?«, fragte Ulbricht freundlich.
»Ja, der bin ich.«
Sein Händedruck war
weich, was Ulbricht nicht daran hinderte, dem Fotografen fest die Hand zu
drücken. Maar trat neben Ulbricht und betrachtete die schwarzhaarige
Rubensfrau mit verzückter Miene.
»Ist sie nicht
wundervoll?«
»Allerdings.«
Ulbricht musste sich eingestehen, dass die Frau auf dem Bild Leidenschaft
pur und Verführung ausstrahlte. Er fragte sich, was sie im wahren
Leben tat.
»Sie ist Lehrerin, hier
in Bodenwerder.« Maar blickte Ulbricht an und wartete auf dessen
Reaktion, also machte er ihm die Freude und setzte ein überraschtes
Gesicht auf. Wahrscheinlich hatte er Ulbrichts Gedanken gelesen, und der
Kommissar fühlte sich ein wenig ertappt.
»Lehrerin?«,
wiederholte er. »Das hätte ich nun wirklich nicht gedacht.«
»Viele Damen begeistern
sich für die erotische Fotografie.«
»Um ihren Männern
eine Freude zu machen, nehme ich an?«
»Weniger. Eher geht es
darum, ein positives Gefühl für den eigenen Körper zu
bekommen. Jede Frau ist von Natur aus schön. Und ich setze sie in
Szene und hebe die Schönheiten jedes Körpers hervor. Das ist
nichts Anrüchiges, schon lange nicht mehr.«
Und sie trauen sich, vor dir
nackt zu posieren, weil du schwul bist, antwortete Ulbricht in Gedanken.
»Dann ist die erotische Fotografie Ihr Spezialgebiet?«
»Allerdings. Wie schon
Max Ernst sagte: Die Nacktheit der Frau ist weiser als die Lehre des
Philosophen.« Er führte Ulbricht zu einem weiteren Bild. Es
zeigte eine reife Frau mit üppigen Rundungen. Ihre Nacktheit wurde
von einem dunklen Tuch umschmeichelt.
»Und die hier«,
erklärte Maar, »ist eine Polizistin.«
Ulbricht hatte Mühe,
seine Überraschung zu verbergen.
»Eine Kommissarin, um
genau zu sein.«
Torsten Maar grinste stolz.
»Kaum zu glauben, dass
sie im wahren Leben Verbrecher jagt, was?«
»Absolut«,
stammelte Ulbricht, der nun noch genauer hinschaute und Maja jetzt erst
erkannte. Das hatte er nicht von ihr gedacht. Sie war eine attraktive
Frau, natürlich keine zwanzig mehr, aber dass sie erotische Fotos
gemacht hatte, bedeutete für Ulbricht eine völlig neue Sicht auf
Maja Klausen. Er trat näher und betrachtete die Aufnahme, die mit
weichem Licht gemacht worden war. Kein Zweifel - Maja machte eine gute
Figur und war trotz des fortgeschrittenen Alters eine verführerische
Frau.
»Sie ist ein wunderschönes
Rubens-Modell, finden Sie nicht?« Maar bekam nichts von Ulbrichts
Überraschung mit.
»In der Tat,
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