Tödlicher Staub
werden. Reines Plutonium haben wir noch nicht entdeckt.« Pataneau lehnte sich in dem roten Damastsessel zurück, winkte einer der halbentblößten Bedienungen zu und ließ sich ein Glas Champagner, vermischt mit frischem Kiwisaft, bringen. Ein Spezialgetränk von Madame, die daran glaubte, dieser Cocktail stärke die Potenz. »Ich weiß das ganz genau, denn Freund Ducoux beauftragt mich immer mit den Analysen. Nun heißt es aber, der Anbieter bei Ihnen in Köln hätte zu neunundneunzigeinhalb Prozent reines Plutonium angeboten. Das wäre eine Sensation!«
»Wirklich! Das ist eine absolute Gefahr.« Sendlinger spürte einen Kloß im Hals. Ein reineres Plutonium gibt es nicht … und es kommt nicht von Sybin! Wo sitzt der Lieferant? »Kennt man den Namen des Mannes?«
»Das ist das einzige, was man kennt. Das Bundeskriminalamt hat uns die bisherigen Ermittlungen zugestellt. Die Unterlagen gingen an die gesamte Interpol. Der Mann aus Köln heißt Bochert oder Glockler oder so. Ich weiß ihn nicht auswendig. Nur der für einen Deutschen ungewöhnliche Vorname blieb mir im Gedächtnis: Freddy.« Ducoux legte seine fast zu Ende gerauchte Zigarre in eine Silberschale. »Was führt Sie nach Paris, Monsieur le Docteur?«
»Ich vertrete einen Mandanten in einem Exportgeschäft. Ich bin Wirtschaftsanwalt mit Sitz in Berlin.«
»Ein interessanter Beruf.«
»Ihrer, Monsieur Ducoux, ist interessanter. Juristerei kann eine sehr trockene Sache sein.«
»Überbewerten Sie meinen Beruf nicht, mein Lieber. Wir sind nicht die Superhelden, wie man sie im Kino und im Fernsehen vorführt. Immer auf der Pirsch, die Pistole schußbereit in der Hand, Verfolgungsjagden, explodierende Autos, Sprünge über Hausdächer, Spezialwagen, die Raketen abschießen und Straßen einnebeln und sogar als Amphibienfahrzeuge schwimmen können … so stellt sich der kleine Maurice einen Kriminalbeamten vor, ähnlich dem berühmten James Bond 007. Es ist alles anders … der größte Teil der Arbeit findet am Schreibtisch statt. Ich selbst habe zum Beispiel noch nie auf einen Täter geschossen, und ich habe immerhin zweiundzwanzig Jahre Dienst hinter mir. Sie studieren Akten, ich studiere Akten … und wenn ich mal draußen bin und einen Täter stellen muß, dann hebt er nur die Arme hoch. Sie wissen doch, daß unsere Polizei, die Flics, nur einen Gummiknüppel tragen, keine andere Waffe, genauso wie ein Bobby in London. Sollte es mal zu einer Auseinandersetzung kommen, etwa bei Banküberfällen oder Geiselnahmen … haben wir dafür unsere Spezialtrupps. So gesehen, ist Paris eine brave Stadt, wenn man sie mit New York, Mexico City, Tokio oder gar Rio de Janeiro vergleicht. Aber es scheint so, als marschiere jetzt Moskau an die Spitze. Was sich da in Rußland tut … unglaublich. Die Mafiahochburg Palermo ist ein Kindergarten dagegen. Und warten Sie mal ab, wie sich China entwickelt. Wirtschaftswunder und Kriminalität gehen Hand in Hand, sie sind Brüder. Auch bei Ihnen in Deutschland sieht die Verbrechensstatistik mies aus. Wenn jetzt auch noch der Atomschmuggel dazukommt … na, danke!«
»Und wie ist es auf dem Sektor der B-Waffen?« fragte Sendlinger vorsichtig. »Davon habe ich gelesen.«
»Der Bakterienmarkt als Lieferant für Terroraktionen? Um Himmels willen, reden wir dies nicht herbei. Das wäre eine nicht kontrollierbare Bedrohung der Menschheit.« Ducoux sog erneut an seiner Zigarre und blies den Rauch gegen die Stuckdecke. »Zum Glück kann nicht jeder diese Mikroorganismen züchten! Um Toxine wie Botulin auszubrüten, müßte schon ein großes Labor mit allen Sicherheitsvorkehrungen beschäftigt werden. Nicht wahr, Pataneau?«
»Unwahrscheinlich.« Der Physiker schüttelte heftig den Kopf. »Es gab Versuche in Libyen und im Irak. Nach dem Golfkrieg haben Expertenkommißionen der Vereinten Nationen festgestellt, daß der Irak gerade eine Produktion von biologischen Waffen begonnen hatte. Das hatte man schon früher aufgrund von Luftaufnahmen vermutet, ebenso wie man Produktionsstätten für Waffengift in Libyen aus der Luft fotografierte. Man hat die Gefahr schon früh erkannt, noch bevor es zu Einsätzen kam. Es gab ein internationales Abkommen, das in dem Genfer Protokoll 1925 festgelegt wurde, und später die B-Waffen-Konvention von 1972. Aber was gelten Verträge, wenn Diktatoren und Terroristen ausrasten? Und überhaupt – diese internationalen Verträge sind ein Witz! Die Entwicklung, Produktion und Lagerung von biologischen
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