Tödlicher Staub
sprach soviel von der amerikanischen CIA und dem deutschen BND, man nannte den israelischen MOSSAD den besten Geheimdienst der Welt … die Sûreté blieb immer im Hintergrund, aber wenn sie zuschlug, war es stets ein Spektakel.
»Sie sind Deutscher?« fragte Ducoux und sog an einer dicken Zigarre. »Monsieur le Docteur, das trifft sich gut. Was sagt man in Deutschland zu dem immer größer werdenden Atomschmuggel?«
Sendlinger spürte wieder das Kribbeln unter der Kopfhaut. Es war ein Thema, mit dem er hier bei Madame Louise nicht gerechnet hatte. Was veranlaßte Ducoux, ausgerechnet über Atomschmuggel zu sprechen?
»Ich weiß es nicht«, antwortete Sendlinger vorsichtig. »Ich bin viel im Ausland.«
»Die Gazetten sind voll davon. Haben Sie nicht gelesen, daß man in Köln einen solchen Halunken geschnappt hat? Mit zwanzig Gramm reinem Plutonium 239?«
»Nein. In Köln? Das ist ja furchtbar!«
Sendlinger spürte sein Herz klopfen. In Köln. Zwanzig Gramm Pu! Woher kamen diese Plutoniumproben? Wer drängte sich da in das Geschäft, das Sybin allein zu beherrschen glaubte?
In Sendlinger klingelten alle Alarmglocken! Woher kam das Plutonium? Wer hatte Zugang zu dem tödlichen Staub? Welchen Preis verlangte er? War Ngolala deshalb so zurückhaltend gewesen, weil er bessere Angebote erhalten hatte?
Fragen, die Sybins Existenz bedrohten.
Ducoux deutete Sendlingers Entsetzen als echte Betroffenheit. »Sie ahnen gar nicht, wie umfangreich der Nuklearschmuggel ist. In Deutschland, Wien, Prag, an der britischen Küste, in Budapest und bei Gibraltar hat man Anbieter gestellt und verhaftet, und wir glauben fest, daß dies nur eine winzige Spitze eines grandiosen Eisberges ist. Da liegen über vier Fünftel im dunkeln. Auch hier in Paris haben wir Fälle von Atomanbietern verfolgt. Sie haben alle etwas gemeinsam: Keiner nennt einen Abnehmer! Sie schweigen. Mit Straferleichterung kann man sie nicht locken. Was zwingt sie zum Schweigen? Angst? Wovor Angst? Wir tappen durch einen lichtlosen Tunnel.«
»Auch in Paris?«
»Wen wundert das? Paris ist eine gute Umschlagbasis. Über Marseille nach Afrika – das ist ein idealer Weg. Der festgenommene deutsche Täter sollte seine zwanzig Gramm Plutonium auch in Paris abliefern. Mehr war aus ihm nicht herauszukriegen. Angeblich weiß er von nichts, außer, daß man ihn in seinem Hotel anrufen wollte, um den Platz der Übergabe bekannt zu geben. Die Hintermänner? Achselzucken.«
»Woher wissen Sie das alles, Monsieur Ducoux?« fragte Dr. Sendlinger. Je mehr Ducoux erzählte, um so klarer wurde ihm, daß das Nukleargeschäft in Gefahr war, aus dem Ruder zu laufen. Woher der Stoff kam, war für ihn keine Frage. Aus den USA bestimmt nicht; es gab nur einen Lieferanten, bei dem durch Verschrottung von Atomsprengkörpern sowie Stillegung von Reaktoren und militärischer Atomforschung genug tödliche Substanzen herumlagen, erbärmlich schlecht geschützt und bewacht, ein Supermarkt der Vernichtung, in dem man sich bedienen konnte: die GUS-Staaten, Kasachstan, die Ukraine – Sybins Gebiet.
Ducoux hatte keine Hemmungen, Sendlingers Frage zu beantworten. Man war ja unter Freunden. Im ›Roten Salon‹ war Vertrauen selbstverständlich, das gemeinsame Erleben von Madame Louises exklusiver Lebensfreude verband die Gäste miteinander.
»Es ist meine Arbeit«, sagte Ducoux. »Ich leite diese Fahndungen. Ich bin Chef der Abteilung V, eine Sondereinheit zur Ermittlung von Bandenverbrechen.«
»Das ist interessant.« Dr. Sendlinger blickte hinüber zu dem agilen Awjilah, der sich mit einer schönen Frau beschäftigte und auf sie einredete. Weißt du das? Natürlich weißt du das. Dies war auch der Grund, warum du mich mit diesen Leuten bekannt gemacht hast. Eine gute Idee, Awjilah – ich werde sie nutzen. Ich weiß jetzt, wer mein Gegner ist, wenn Lieferungen über Paris abgewickelt werden sollen. Ich werde ausweichen nach Wien. »Und alles Plutonium 239?«
»Nein.« Pataneau, der berühmte Physiker, wie ihn Ducoux vorgestellt hatte, mischte sich in das Gespräch ein. »Wenig, sehr wenig Plutonium. Und meistens auch nicht waffenfähige Ware. Die Hauptmenge des Nuklearschmuggels besteht aus Uran, gewonnen aus abgebrannten Uranbrennstäben in Reaktoren. Pro Stab fallen etwa zwanzig Prozent Uran 235 an, allerdings ungereinigt und deshalb für Bomben kaum geeignet. Plutonium als Abfall der Brennstäbe ist ein sehr geringer Anteil und muß auch erst in komplizierten Verfahren aufbereitet
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