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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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aus einem asiatischen Land erzählte Sendlinger, was man beobachtet hatte:
    »Seit dem Ersten Weitkrieg, in dem die Deutschen zum ersten Mal Giftgas als Kampfstoff einsetzten – damals war es Chlorgas, Phosgen und Senfgas und kostete siebzigtausend Amerikanern das Leben, über ein Viertel aller amerikanischen Verluste im Ersten Weltkrieg! –, forschten vor allem die Amerikaner nach neuen chemischen Waffen. In Fort Detrick, im Bundesstaat Maryland gelegen und eine der geheimen Forschungsstätten für B-Waffen, führte man bereits 1941 umfangreiche Versuche durch, weil man befürchtete, daß die Deutschen Bomben und Granaten, gefüllt mit dem Botulinustoxin, zum Einsatz bringen würden.«
    »Aber sie haben es nicht getan.«
    »Nein! Und das hatte einen für die damalige Zeit unverständlichen Grund: Hitler verbot strikt den Einsatz von biologischen Waffen. Warum? Hitler selbst war im Ersten Weltkrieg durch einen Giftgasangriff vorübergehend blind geworden. In der Endoffensive hatten auch die Alliierten massiv Senfgas eingesetzt. Dieses persönliche Erlebnis hielt Hitler davon ab, nun seinerseits Gas oder Bakterien einzusetzen. Es mutet wie ein Wunder an, dabei gibt es eine ganz einfache Erklärung für Hitlers Befehl: die Gefährdung der eigenen Truppe. Hätte man die Mikroorganismen unter Kontrolle bringen können … Hitler hätte keinen Augenblick gezögert. Und da liegt auch heute noch das Problem: Es kann den Gegner treffen, aber ebensogut auch einen selbst. Deshalb sind wir sehr vorsichtig bei dem Gedanken an B-Waffen.«
    Das war für Sendlinger völlig neu. War Plutonium doch das sichere Geschäft? War die Angst vor den Mikroben so groß, daß jeder davor zurückschreckte?
    »Sie erwähnten Experimente«, sagte er. »Wissen Sie, was sie ergeben haben?«
    »Wir haben uns eingehend damit beschäftigt.« Sendlingers Besucher schloß einen Moment die Augen, um sich zu erinnern und zu konzentrieren. »Mir sind drei Experimente noch im Gedächtnis«, fuhr er fort, »die aber länger zurückliegen. Experiment Nummer eins fand schon 1941 statt, aus Angst vor den Deutschen. Damals schütteten die Engländer die gefährlichen Milzbranderreger aus, die über die Atemwege in den Körper gelangen. Es war auf einer kleinen, einsamen, schottischen Insel. Nur Schafherden lebten dort, sie waren die einzigen Inselbewohner. Das Ergebnis des Versuches: Alle Schafe, ohne Ausnahme, starben … und die Insel blieb fünfundvierzig Jahre lang verseucht und konnte nur mit Schutzanzügen betreten werden. Das muß man sich einprägen: fünfundvierzig Jahre unbewohnbar. Das schafft keine Atombombe!«
    »Beeindruckend!« sagte Dr. Sendlinger. Es klang nicht entsetzt, sondern interessiert.
    »Experiment Nummer zwei führten die Amerikaner durch. Sie gingen aber vorsichtiger vor: Entlang einer wilden, unbewohnten Küste versprühte ein Schiff unter Kontrolle von Wissenschaftlern und Militärs fünfhundert Liter einer ungefährlichen, schwachen Bakterienlösung. Die Witterungsbedingungen waren optimal für den Versuch – man nennt so etwas schlechtes Wetter. Die Bakterien mußten an den Felsen kleben bleiben. Und was geschah wirklich? Die Bakterienwolke verteilte sich über eine Landfläche von hundertfünfzigtausend Quadratkilometern … das ist viermal so groß wie die Schweiz! Eine niederschmetternde Erkenntnis: Man kann Bakterien nicht beherrschen, sobald sie frei geworden sind.«
    »Das leuchtet mir ein«, sagte Sendlinger trocken. »Und Nummer drei?«
    »Da war Rußland dran. Am 2. April 1979 kam es im damaligen Swerdlowsk, heute wieder Jekaterinburg genannt, zu einem Unfall in der geheimen Forschungszentrale der Sowjets für B-Waffen. Irgendwo in der Produktionsanlage gab es plötzlich ein Leck, Milzbrandsporen wurden frei, bildeten eine tödliche Wolke und hüllten sechsundneunzig Menschen, die in der Abteilung arbeiteten, ein. Trotz aller sofort anlaufenden Gegenmaßnahmen starben von den sechsundneunzig Infizierten Sechsundsechzig qualvoll. Geheimhalten konnten die Russen diesen Vorfall nicht, aber sie beschönigten ihn mit dem Satz: ›Es hatte eine natürliche Ursache.‹ Was das bedeutete, fragte keiner, und ob die Milzbrandsporen auch nach draußen gelangt waren und über das Land wehten, verschwieg man natürlich eisern. Erst nach zehn Jahren, unter Gorbatschow, fanden russische und amerikanische Untersuchungskommissionen die volle Wahrheit heraus. Man war sich einig: Wer die Atombombe ächten will, muß auch den Einsatz von

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