Tödlicher Staub
hohe, schmiedeeiserne Tor. Aus dem Inneren des Hauses schien der Eingang überwacht zu werden.
»Über Mangel an Luxus kannst du dich nicht beklagen«, sagte Houssein beeindruckt. »Das erinnert mich an unsere Ölmillionäre, nur holen sie das Öl aus der Erde.«
»Ich auch, mein Bruder Djamil. Ich auch. Meine Ölbäume wachsen auch auf der Erde. Allah segne den fruchtbaren Boden.«
Die schwere Haustür öffnete sich. Ein Diener in weißer Livrée erschien und verbeugte sich vor Houseman. An der Ausbuchtung der linken Rockseite erkannte er mit geübtem Blick, daß der Diener eine Waffe trug, eine großkalibrige Pistole. Aha, so friedlich, wie das hier alles aussieht, ist es also nicht!
»Das ist Ramunabat«, sagte Daraj. »Eine treue Seele, ein Inder. Ich habe ihn halbverhungert von einer Straße in Bengasi aufgelesen. Er ließe sich für mich in Stücke schneiden.«
»Noch mehr Überraschungen, Abdul?«
»Mein Innengarten. Aber sieh selbst.«
»Und deine Frau?«
»Ich habe keine Frau. Die letzte habe ich vor vier Jahren weggejagt. Sie war schön und geil, aber sie schnüffelte mir nach. Als sie mein Funkgerät entdeckte, war es vorbei.«
»Verdammt – sie hätte dich verraten können!«
»Sie konnte es nicht … Ramunabat hat sich ihrer angenommen.«
Houseman verstand. Er fragte nicht weiter, sondern ließ sich von dem überraschen, was er noch hören und sehen würde.
Der Innengarten war ein Wunderwerk arabischer Gartenkunst. Ein Springbrunnen schoß eine Wasserfontäne in die Sonne, die aus dem weitgeöffneten Maul eines großen Löwen spritzte. Von mit weißem Marmorkies bedeckten Wegen durchzogen, wiegten sich Blumenrabatte und Palmen im leichten, warmen Wind, rankten sich Rosen an Spalierwänden empor, zog ein Duft vielfältiger Blüten über den englisch kurzgehaltenen Rasen. Unter einer goldfarbenen Markise standen weiße Gartenmöbel … ein Tisch, vier Sessel, eine Liege und eine fahrbare Bar.
»Wenn das Allah sieht!« sagte Houseman, der von dem Haus begeistert war. So etwas hatte er bisher nur in Filmen gesehen, die in Miami, Florida oder Kalifornien spielten. Märchenvillen für einen armen Captain der CIA. Abdul Daraj hob abwehrend beide Hände.
»Die Bar ist nur für Gäste bestimmt, Djamil. Und – so hat es Mohammed bestimmt – als Medizin, wenn sie Leiden lindern kann. Ich bin ein kranker Mensch, mein Magen macht mir Sorgen.«
Während der Diener Ramunabat Housemans Gepäck in das Gastzimmer trug, ein kleiner Palastraum für sich mit einem großen Marmorbad und vergoldeten Armaturen, setzten sich Daraj und Houseman in den Garten. Die Sitzauflagen der Sessel waren mit besten, weißen Gänsedaunen gefüllt. Im Gegensatz zu Fontana und Victoria war Houseman munter und fröhlich, denn er hatte keinen anstrengenden Flug hinter sich, keine Zeitverschiebung – die hatte er schon in Genua überwunden –, sondern er war gemütlich in einer Kabine der Leonardo quer über das Mittelmeer gefahren worden. Fast eine kleine Urlaubsreise auf Kosten der CIA.
Um direkt auf das Thema zu kommen und keine langen Umwege zu machen, sagte Houseman zu Beginn des Gespräches:
»Abdul, du bist ein reicher Mann …«
»Das ist relativ.«
»Wer sich so ein Haus wie dieses und einen großen Mercedes leisten kann, gehört nicht gerade zu den Armen.«
»Das hast du bereits gesagt.«
»Und ich wiederhole es, ich bin beeindruckt. Kann man mit Salatöl soviel Geld verdienen?«
»Nein.« Das war eine ehrliche Antwort. Abdul goß sich und Houseman ein großes Glas Fruchtsaft ein. »Für dich mit Wodka gemischt?«
»Gern. Du schwimmst im Geld. Warum arbeitest du dann für die CIA?«
»Eine gute Frage, Djamil.«
»Auf keinen Fall wegen des miesen Geldes, das du dafür bekommst.«
»Da hast du recht.«
»Weshalb also, Abdul?«
Houssein trank einen Schluck, lehnte sich in den Polstern zurück und faltete die Hände über dem Bauch. Er trug einen knöchellangen, schneeweißen Haikh aus einem Baumwoll-Seiden-Gemisch, der seine untersetzte Figur verbarg. Houseman hätte gewettet, daß er einen dickeren Bauch hatte als er. Sein hellbraunes Gesicht durchzogen einige Falten, als seien es Narben, und diese hatte er auch: Pockennarben, Erinnerungen an eine Krankheit in Kinderjahren. Er war kein schöner Mann, bestimmt nicht, aber ein interessanter Kopf, den das Leben zwischen Wüste und Meer geprägt hatte.
»Weshalb?« wiederholte Daraj gedehnt. »Das hat nichts mit Geschäften zu tun, nichts mit der Politik …
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