Tödlicher Staub
geschehen.
»Es geht nicht«, sagte Abdul nach langem Überlegen. »Es ist unmöglich. Wir bekommen die Sicherheitspolizei an den Hals. Bevor man sich die Blöße gibt, von einem Unbekannten Bombenmaterial zu kaufen …«
»Jeder Anbieter ist ein Unbekannter. Die Basis solcher Geschäfte ist die Anonymität. Das respektiert jeder Interessierte. Vor allem, wenn man ihm vier Kilo verspricht … Vier Kilo ist die kritische Menge zur Herstellung einer Plutoniumbombe der Größenordnung, wie sie auf Nagasaki gefallen ist.«
»Und wer soll den Vermittler spielen?«
»Der Deal wird über Paris und Marseille abgewickelt werden. Verhandlungspartner wird ein Monsieur René Duval sein. In Wirklichkeit heißt er Dick Fontana, Captain der CIA, und ist gerade in Paris eingetroffen, wo er sich Robert Fulton nennt. Repräsentant einer Likörfabrik.«
»Ziemlich kompliziert das alles«, versuchte Abdul, sarkastisch zu sein.
»Fontana spricht perfekt französisch, auch wenn er in Paris als Amerikaner radebrechen muß. Wenn Libyen mit ihm in Verbindung tritt, in Frankreich natürlich, sind wir außer Sichtweite deines Geheimdienstes.«
»Warum dann der Umweg über uns? Dieser Duval kann doch auch mit der anderen Seite – den Lieferanten – in Kontakt kommen.«
»Das könnte zu Schwierigkeiten führen. Eine Anfrage direkt aus Libyen ist glaubwürdiger als ein Franzose, der nur Zwischenhändler sein kann. Und wenn, wie wir vermuten, das Plutonium aus Rußland kommt, greift in Moskau unsere süße Victoria Miranda ein. Sie ist als neuer Kulturattaché schon in der Botschaft in Moskau eingetroffen. Mit anderen Worten: Wir werden einen Ring um den Nuklearschmuggel bilden, einen Kreis, aus dem es kein Ausbrechen mehr gibt! Und wenn wir dann einen eindeutigen Beweis haben, daß höchste Kreise in Rußland an dem Deal beteiligt sind, wird man auch Rußland zur größerer Wachsamkeit und effizienteren Sicherheitsvorkehrungen auffordern, auch wenn man dort alles leugnen wird – und das ist zu erwarten!«
»Ein Plan, bei dem sich mir der Magen rumdreht …«
»Angst, Abdul?«
»Ja. Ganz ehrlich: ja! Du kennst Libyen nicht. Wir sind keine naiven Wüstensöhne mehr … wir sind ein ganz und gar modernes Volk, das viel gelernt hat und im Chor der Weltmächte mitsingt! Unser Öl – nicht das Salatöl, sondern das Erdöl – hat uns mächtig gemacht. Was wäre die europäische Industrie ohne libysches Erdöl?« Abdul wischte sich mit beiden Händen über das Gesicht. Er schwitzte, und das geschah selten. »Unsere Geheimpolizei ist hervorragend, das kann ich wohl behaupten. Ich habe genügend Erfahrungen mit ihr.«
»Du machst also nicht mit, Abdul?«
»Ich muß wohl … aber ich steige sofort aus, wenn der Verdacht auf meine Firma fällt. Den Kopf mußt du hinhalten, Djamil Houssein … ich werde als der Betrogene dastehen, als der Getäuschte, und nicht verhindern, daß man dich jagt!«
»Welch eine Kameradschaft!« Houseman stand von seinem Gartensessel auf. »Okay, ich übernehme allein das Risiko. Unser Dreierbund – Fontana, Miranda und ich – werden das Kind schon schaukeln. Nur eines noch«, Housemans Stimme wurde sehr ernst, auch seine sonst eher fröhlichen Augen blickten kalt auf Abdul, »wenn du einen Fehler machst, wenn irgendwas durch deine Schuld schiefgeht, habe ich keine Hemmungen, dich umzulegen. Und deinen Ramunabat dazu! Alles ist wichtiger als dein fetter Arsch.«
Er ließ Abdul allein und ging in sein prächtiges Zimmer. Unter der Dusche stellte er fest, daß parfümiertes Wasser aus dem Brausekopf sprühte.
Daraj blieb sitzen und starrte vor sich hin.
Wie schnell sich ein Leben ändern kann …
Es dauerte eine Stunde, bis man Fontana bei Jean Ducoux vorließ.
Er hatte sich zwar telefonisch angemeldet und einen Termin genannt bekommen, aber als er im Hauptquartier der Sûreté empfangen wurde, sagte ihm ein Beamter, Ducoux sei im Augenblick in einer wichtigen Konferenz.
Das war die Unwahrheit. In Wirklichkeit saß Ducoux ins einem Büro, trank einen Pernod und rauchte eine Zigarre. Er hing düsteren Gedanken nach, düster deshalb, weil es um die Ehre Frankreichs ging.
Er war also da, der Amerikaner von der CIA. Mit aller Hochnäsigkeit würde er gleich ins Zimmer kommen und kundtun, daß die USA ihn geschickt hätten, um den Nuklearschmuggel effektiver zu bekämpfen. Damit wäre dann ausgedrückt – mit höflichen Worten –, daß die Sûreté ein Gartenzwergverein sei und er, Ducoux, eine Flasche, die
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