Tödlicher Staub
es ist etwas Privates. Libyen hat Schulden bei mir, moralische Schulden, und da es diese nicht anerkennt oder abzahlt, muß ich mir meine Genugtuung auf andere Weise holen.«
»Das mußt du mir erklären, Abdul. Übrigens: Ich bin erstaunt über deinen Reichtum. Colonel Curley erzählte, daß du kurz vor dem Konkurs stündest, und ich – die offizielle Version – als dein Partner in den Betrieb eintrete und dich saniere.«
»Genauso habe ich den Behörden gegenüber argumentiert. Das ist glaubhaft … es gibt genug Geschäftsleute, die eine große Villa bewohnen, aber in ihrem Geschäft laufen die Ratten herum. Wen kümmert das? Die wahre Kunst zu leben, ist eine Erfindung des Orients. Du kommst als Partner und rettest mich, das verschafft dir hohes Ansehen.«
»Damit ist noch nicht beantwortet, warum du für die CIA arbeitest.«
»Im Jahre 1969 stürzte Muammar al Gadhafi das Königshaus von Libyen und ernannte sich selbst zum Staatschef. Alle, die dem König gedient hatten, wurden grausam verfolgt und für ihre Treue bestraft. Sie wurden ausgepeitscht, kamen in Straflager oder wurden erschossen. Man nannte sie Schädlinge des Volkes, Blutsauger oder korrupte Banden. Mein Vater war einer von ihnen … in den Augen der neuen Regierung. Er war Abteilungsleiter im Wirtschaftsministerium. Gadhafi ließ meinen Vater so lange auspeitschen, bis er unter den Schlägen der Peitsche aus Nilpferdhaut starb. Meine Mutter wurde in ein Lager verschleppt – ich habe nie wieder etwas von ihr gehört. Meine jüngere Schwester wurde vergewaltigt, von zehn Männern nacheinander. Sie war noch unberührt … aber als man sie danach fand, war ihr ganzer Unterleib aufgerissen. Kein Arzt behandelte sie aus Angst, als Verräter zu gelten … sie starb an inneren Blutungen und einer Infektion. Mein Bruder wurde erschossen, als er meiner Schwester zu Hilfe kam. Es gab keine Familie Daraj mehr.«
»Und du?«
»Ich war so feige, mich zu verkriechen – in einem unterirdischen Gang, den man in den Felsen geschlagen hatte. Die Revolutionäre fanden zum Glück den Einstieg nicht – so habe ich überlebt. Ich bin dann weitergeflüchtet nach Bengasi und wohnte bei einer Schwester meiner Mutter im Ziegenstall: zwei Jahre lang. Dann hatte sich die Lage beruhigt, Gadhafi war alleiniger Herrscher, gestützt auf die Macht des Militärs, und seine Widersacher waren vernichtet. Das Volk jubelte ihm zu, er versprach, Libyen zu einer Weltmacht zu machen. So ist es immer bei Revolutionen: Es fließt viel unschuldiges Blut, aber die Masse des Volks vergiß es schnell. Ich habe die Vernichtung meiner Familie nicht vergessen! Ich bin zurück nach Tripolis und habe die Ölfabrik meines Onkels übernommen, der gerade im Sterben lag, und ich habe eine Exportfirma gegründet. Da erschien eines Tages ein Mann, der zwar einen arabischen Namen trug wie du, Djamil, aber ein Amerikaner war. Er wußte – woher, blieb ein Rätsel – vom Schicksal meiner Familie und erinnerte mich in langen Gesprächen daran, daß es zur Ehre eines Moslems gehöre, Unrecht zu rächen. Der Mann war von der CIA, das gestand er später, und er schlug mir vor, aus dem Untergrund Gadhafi zu bekämpfen. Zwei Dinge wären interessant, eine Gefahr für den Frieden und müßten bekämpft werden: der Terrorismus und die Herstellung von Atombomben und Bakterienwaffen. Beides gehörte zu Gadhafis Machtplänen. Neben dem Nordjemen war Libyen eine Fluchtburg und Ausbildungsstätte für Terroristen gewesen. Es lieferte Waffen und unterstützte Aktionen, wo immer sie stattfanden. Vor allem Attentate in Israel und Deutschland waren beliebt. Das Problem Bombe war die zweite aktuelle Bedrohung der freien Welt: Gadhafi baute in der Wüste geheime Labors und Produktionswerke für B-Waffen, also für biologische Vernichtungsbomben, die mit Viren oder Bakterien ganze Länder verseuchen konnten. Sein großer Traum ist eine Plutonium- oder Wasserstoffbombe. Hier arbeiten Wissenschaftler – darunter einige russische Experten – an neuen Konstruktionen. Raketen besitzt Libyen schon genug … mit Reichweiten von über achttausend Kilometern, damit haben sie ganz Europa im Griff! Aber die Atomsprengköpfe für die absolute Atombombe fehlen, und auch das Plutonium, Uran und Lithium! Doch jetzt, nach dem Zusammenbruch der UdSSR und der Abrüstungspolitik des neuen Rußlands, der katastrophalen Lage der Atomzentren mit ihren Massenentlassungen und Schließungen, hat sich dies schlagartig geändert. Jetzt
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