Tödlicher Staub
Freiwillige zusammengeschlossen haben, um aus totem Land eine blühende Oase zu machen, die Obst und Gemüse und Getreide hervorbringt zum Wohle der Unabhängigkeit Israels.«
»Und was soll ich dort?!«
»Wir werden dort erwartet.«
»Von meinem Botschafter?«
»Sie haben Humor, wirklich.« Der Offizier lachte wie über einen Witz. »Lassen Sie sich überraschen.«
Der Hubschrauber landete mitten auf dem Platz des Kibbuz in einer dicken Staubwolke. Schon beim Anflug erkannte Anassimow eine Ansammlung von fünf dunklen Limousinen, die rund um den Platz verteilt waren. Welch ein Aufwand für eine Vergewaltigung, die keine gewesen war. Dieser übereifrigen Polizei werde ich mal erzählen, wie's wirklich gewesen ist. Sie werden mit der Zunge schnalzen, wenn ich Lorettas Aktivitäten schildere. Was hat sie bloß veranlaßt, mich anzuzeigen! Und außerdem, meine Herren, ich war besoffen, und man hat mich im Schlaf überwältigt, das ist eine Frechheit, und dann zwei Tage eingesperrt, das ist Freiheitsberaubung!
Der Hubschrauber setzte auf, der Staub verzog sich, die fünf schwarzen Wagen glitten von allen Seiten auf sie zu.
»Da wären wir«, sagte der Offizier. Er öffnete die Kanzeltür. »Steigen Sie aus.«
»Ich protestiere!« rief Anassimow empört.
»Protest zur Kenntnis genommen.« Und dann, sehr scharf: »Aussteigen!«
Anassimow kletterte die drei Klappstufen hinunter und sah sich vier korrekt gekleideten Herren gegenüber. Trotz der großen Hitze trugen sie Anzüge, weiße Hemden und Krawatten. Einer von ihnen trat auf Anassimow zu und sprach ihn auf Russisch an.
»Ich heiße Alfred Hausmann und habe lange in Kiew gelebt. Sie sind verhaftet.«
»Das habe ich schon mal gehört!« schrie Anassimow, nun auch in seiner Muttersprache. »Das ist doch idiotisch! Ist das so ein schreckliches Verbrechen, eine schöne Frau zu lieben?! Ich war volltrunken …«
»Das können Sie nachher alles erzählen. Steigen Sie dort in diesen Wagen.«
Alfred Hausmann, als Sohn einer ausgewanderten jüdischen Familie in Bologoje geboren und in Kiew aufgewachsen, ging voraus und ließ Anassimow in den Wagen einsteigen. Er setzte sich neben ihn und zog die Tür zu. Sofort brauste die Limousine mit großer Geschwindigkeit vom Landeplatz weg.
»Wo wollten Sie das Schiff verlassen?« fragte Hausmann leichthin während der Fahrt.
»In Alexandria. Ägypten.«
»Und dann über Kairo mit dem Flugzeug zurück nach Moskau.«
»Genau. Ich habe mir mal sechzehn Tage Urlaub gegönnt.«
»Es war bestimmt eine schöne Fahrt.«
»Ja. Bis heute.«
Sie hielten vor einem zweistöckigen, weißgestrichenen, großen Steinhaus am Rande des Kibbuz', das sich schon von der Größe her deutlich von den anderen Bauten unterschied. Hausmann öffnete die Tür.
»Wir sind da. Bitte folgen Sie mir.«
Hausmann führte Anassimow in ein karg eingerichtetes Zimmer. Nur zwei Stühle und ein viereckiger Tisch standen darin, und auf dem Tisch befand sich ein Tonbandgerät. Das aber war es nicht, was Anassimow einen Schock versetzte – neben dem Tisch standen seine zwei Koffer. Er blieb im Zimmer stehen, starrte sie an und atmete plötzlich heftiger.
»Sie … Sie haben meine Koffer von Bord geholt!« rief er empört.
»Wir haben gedacht, daß Sie Ihre Unterwäsche oder sonstwas brauchen.«
»Dazu haben Sie kein Recht!«
»Wir sehen das anders.« Ein braungebrannter Mann mittleren Alters hatte das Zimmer betreten und zeigte während der Bemerkung auf den einen Stuhl. »Wollen Sie sich setzen?« Auch er sprach russisch, und höflich stellte er sich vor. »Mein Name ist Zvi Silberstein.«
»Auch in Rußland geboren?«
»So ist es.« Zvi Silberstein machte eine alles umfassende Handbewegung. »Wissen Sie, wo Sie hier sind?«
»In einem Kibbuz.«
»Ja und nein. Sie befinden sich in einer Dienststelle des MOSSAD. Ist MOSSAD Ihnen ein Begriff?«
Und ob, dachte Anassimow und setzte sich. MOSSAD, der Geheimdienst Israels, von dem man sagt, er sei der beste der Welt. Besser als KGB und CIA. Ein Geheimdienst, der einfach alles wußte und überall operierte, der nicht nur Erkenntnisse sammelte, sondern auch gesuchte Verbrecher, die früher und heute Israel Schaden zufügten – vor allem alte Naziverbrecher – und aus ihren Verstecken entführten. Von dem ›Fall Eichmann‹ hatte er gehört und von dem Nazijäger Wiesenthal, der die Gesuchten aufspürte und dann eine Informationen an den MOSSAD weitergab. Ein Geheimdienst, gefürchtet von allen Feinden
Weitere Kostenlose Bücher