Tödlicher Staub
ein Anliegen, Loretta.«
Sie schüttelte den Kopf, als habe sie nichts verstanden, denn sein Englisch war grauenhaft.
»Was wollen Sie?« rief sie empört.
»Ich möchte mit Ihnen schlafen …«
»Sie versoffener Idiot!«
Sie wollte die Tür zuknallen, aber Wladimir war schneller. Er drückte sie auf, stieß Loretta ins Zimmer und schloß hinter sich die Tür ab.
»Ich schreie um Hilfe!« rief sie. »Verlassen Sie sofort …«
»Schon gut.« Er griff nach ihr, riß sie an sich und hielt ihr den Mund zu. Seine Hand umfaßte fast ihr schmales Gesicht. »Warum denn schreien?«
Er hob sie wie eine Puppe hoch und warf sie aufs Bett.
Wladimir war ein starker Mann. Loretta wollte nach ihm treten, aber er packte ihre Beine, zog sie auseinander und fiel über sie her.
Im Fernsehkrimi geschah gerade der vierte Mord …
Kapitän Ricardo Santaldo befuhr seit zwanzig Jahren alle Meere. Ihn durch irgend etwas aus der Ruhe zu bringen, schien unmöglich. Er hatte Taifune in der Südsee und gefährliches Treibeis im Nordmeer erlebt, aber was er jetzt erlebte, schien auch für ihn einmalig zu sein.
Der wachhabende Zweite Offizier holte ihn mit einem diskreten Wink aus dem Ballsaal, wo Santaldo dem mäßig besuchten Klavierkonzert andächtig lauschte. Klassische Musik auf einem Kreuzfahrtschiff gehört zum kulturellen Programm, man kann nicht immer Shows oder Szenen aus bekannten Musicals bringen, und die Zuhörer für Chopin sind nun einmal eine Minderzahl. Als Kapitän muß man da mit gutem Beispiel vorangehen und in Sonaten versinken, obwohl Santaldo lieber in seiner großen Kapitänssuite gesessen und ein Buch über die Fahrten seines großen Kollegen Kolumbus gelesen hätte.
Mit einer gemurmelten Entschuldigung zu den Gästen an seinem Tisch stand er auf und ging zu dem Zweiten Offizier, der an der Tür wartete.
»Was ist?« fragte Santaldo. »ist's so wichtig?«
»Das kann ich nicht beurteilen, Herr Kapitän.« Der Zweite Offizier grinste verhalten. »Mrs. Dunkun möchte Sie dringend sprechen.«
»Ist das ein Grund, mich aus dem Konzert zu rufen?« Santaldos Stimme wurde hart. Natürlich kannte er Mrs. Dunkun … eine besonders schöne Frau an Bord sticht auch einem Kapitän ins Auge.
»Ich glaube doch, Herr Kapitän.« Das Grinsen des Zweiten Offiziers verstärkte sich. »Sie will eine Anzeige erstatten.«
»Eine Anzeige? Sie soll sich an den Oberzahlmeister wenden!«
»Der ist in diesem Fall nicht zuständig. Mrs. Dunkun ist vergewaltigt worden.«
»Was ist sie?« fragte Santaldo, als habe er sich verhört.
»Vergewaltigt, Herr Kapitän.« Jetzt überzog das Grinsen das ganze Gesicht des Zweiten Offiziers. »Der Täter liegt noch im Bett …«
Santaldo zog den Kopf zwischen die Schultern. »Stellen Sie das dämliche Grinsen ein, Tomasa!« sagte er streng. »Auf meinem Schiff wird eine Frau … Unerhört! Wenn sich das herumspricht … Völliges Stillschweigen! Wie viele wissen davon?«
»Der Kabinensteward, Sie, Herr Kapitän, und ich.«
»Und so bleibt es auch! Kein anderer erfährt davon …«
»Wenn es Ihnen gelingt, Mrs. Dunkun zu beruhigen. Sie will unbedingt unseren Schiffsarzt sprechen!«
»Nur, wenn es dringend notwendig ist! Kommen Sie!«
Sie fuhren mit dem Lift hinauf zum Sonnendeck und stürmten in die Kabine 017. Das Bild, das sich ihm bot, würde Santaldo nie vergessen: Die schöne Witwe Loretta saß ziemlich zerzaust in einem Sessel, nur notdürftig mit ihrem Bademantel bekleidet. Die schwarzen Haare standen vom Kopf ab, als seien sie elektrisch geladen. Ihr gegenüber lehnte der Kabinensteward an der Wand, ein Glas Champagner in der Hand, das er der Entehrten ab und zu reichte, wenn ihre Augen zu flattern begannen. So, wie man einem Baby ein Schlückchen Milch gibt, wenn es zu greinen anfängt.
Der Höhepunkt der Szene allerdings war der Täter: Er lag auf dem Rücken im Bett, nackt mit aller männlichen, beneidenswerten Stärke, und schlief mit lautem Schnarchen. Loretta hatte ihn mit ihrem Bademantelgürtel an den Füßen und mit zwei Strümpfen an den Händen gefesselt, aber er merkte es nicht … volltrunken schwebte er mit dröhnenden Lauten in einer fernen Welt.
Bei Santaldos Eintreffen zuckte Loretta zusammen.
»Ich bin entsetzt!« sagte Santaldo, als sich Lorettas Lippen lautlos bewegten. »Ein einmaliger Vorfall!«
Jetzt endlich fand Loretta ihre Sprache wieder. Ihre Stimme klang piepsig wie bei einem kleinen Kind.
»Ich wundere mich, daß ich noch lebe …«, sagte sie
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