Tödlicher Staub
Agentinnen. Jermila Dorot – natürlich heißt sie anders – gehört zu unseren Spitzenleuten. Wenn Anassimow sie kennenlernt, wird er seine Geheimnisse preisgeben. Anassimow ist ein gerissener Kerl, aber in gewissen Situationen denkt er nur mit dem Unterleib. Das ist unsere einzige Chance.«
»Und diese … diese Jermila wäre bereit, so etwas zu tun?«
»Sie ist eine Patriotin«, antwortete der MOSSAD-Chef schlicht.
»Wenn Sie meinen …«
»Es ist ein Versuch, Herr Minister. Wir müssen Anassimow das Gefühl der Sicherheit geben, den Triumph, uns aufs Kreuz gelegt zu haben, und in dieser Gewißheit wird er irgendwann einmal einen falschen Schritt tun. Und dann haben wir ihn! Im Bett schmelzen alle Geheimnisse.«
Und so geschah es, daß Anassimow zum Chef des MOSSAD gebeten wurde – gebeten, nicht hingebracht – und voller Staunen erfuhr, daß er ein freier Mann sei. Ab sofort.
»Israel muß sich bei Ihnen entschuldigen«, sagte der Chef und reichte Anassimow die Hand. »Wir müssen uns geirrt haben.«
»Endlich sehen Sie das ein!« Anassimow blieb zurückhaltend und vorsichtig. Welch ein Trick steckt wohl dahinter? Woher die plötzliche Freundlichkeit? »Sie entlassen mich also?«
»Notgedrungen. Wir können Ihnen nicht beweisen, daß Sie die Unwahrheit sagen. Im Zweifelsfalle für den Angeklagten – das ist internationales Recht. Und Israel ist ein Rechtsstaat, gerade weil wir soviel Unrecht haben erdulden müssen. Wir haben nur eine Bitte an Sie.«
»Ich höre.«
»Wir möchten, daß Sie noch einige Tage in Tel Aviv bleiben. Auf Kosten des Staates erhalten Sie dann ein Flugticket nach Libyen. Sie fliegen mit einer britischen Maschine. Wir können ja nicht dorthin fliegen.«
Anassimow spürte ein heftiges Mißtrauen in sich aufsteigen.
»Warum gerade Libyen? Was soll ich dort?«
»Sie können von dort aus fliegen, wohin Sie wollen.«
»Das kann ich doch auch von Tel Aviv aus.«
»Ja. Aber das Ministerium, das den Flug finanziert, hat Libyen genannt. Warum, das weiß ich nicht.«
»Und wie lange muß ich noch in Israel bleiben? Ich sage es ehrlich: Diese Gastfreundlichkeit ist nicht nach meinem Geschmack.«
»Wir verstehen das nach dem, was alles vorgefallen ist. Es war wohl ein Irrtum. Doch irren ist menschlich, und verzeihen eine große menschliche Tat.«
»Ich kann also alles mitnehmen? Meine Koffer, meinen Paß, die Dollar … alles?« fragte Anassimow zweifelnd.
»Alles … außer den zweihundert Gramm Plutonium.« Der MOSSAD-Chef lachte wie über einen guten Witz. »Mr. Anassimow, Sie sind ein freier Mann! Unser Staat hat sich erlaubt, für Sie ein Zimmer im Hotel König David zu reservieren.«
»Danke. Und wie lange muß ich noch hierbleiben?«
»Nur ein paar Tage.« Der Chef lächelte ihn an wie einen guten Freund, der ein Geschenk mitgebracht hat. »Sie werden sehen, Tel Aviv ist eine schöne Stadt. Man kann sich gut amüsieren. Das Schönste aber sind die Mädchen.«
»Danke, ich habe die Nase voll von solchen Abenteuern. Ich will nach Hause! Wann kann ich gehen?«
»Sofort. Ein Privatwagen wird Sie zum König David bringen.«
Anassimow verabschiedete sich mit Handschlag. Ein Beamter brachte ihn vor das Haus. Dort wartete ein schwarzer Mercedes auf ihn. Perfekt! Wirklich perfekt diese Organisation. Man erlebt selten, daß Beamte einen Fehler eingestehen, denn ihr Berufsethos verträgt keine Entschuldigungen. Ein Beamtenfehler ist allenfalls eine Fehlinterpretation.
Mit dem merkwürdigen Gefühl, in eine gefährliche Freiheit entlassen worden zu sein, ließ sich Anassimow zum Hotel König David fahren, einem absoluten Luxusbau von orientalischer Pracht. An der Rezeption erwartete man ihn bereits. Das Timing des MOSSAD war vollkommen.
»Wir begrüßen Sie in unserem Hotel, Mr. Anassimow«, sagte der Empfangschef mit einstudierter Höflichkeit. »Wir hoffen, daß Sie sich bei uns wohl fühlen. Wir haben für Sie Appartement Nummer dreihundert reserviert.«
Anassimow nahm den Schlüssel in Empfang, ein Boy trug die Koffer, und sie fuhren mit dem Lift hinauf in das dritte Stockwerk.
Aus einem Sessel in der großen Hotelhalle erhob sich ein Herr und trat an den langen Empfangstresen.
»Ist alles in Ordnung?« fragte er.
»Wie man es gewünscht hat, Herr Rishon.«
»Dann lassen Sie das Tonband einschalten. Von jetzt ab läuft es Tag und Nacht. Ich komme jeden Morgen, die Bänder abzuholen.«
Aber die ›Wanzenüberwachung‹ brachte nichts. Anassimow führte kein
Weitere Kostenlose Bücher