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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Telefongespräch, hielt sich, bis auf ein paar Spaziergänge, vornehmlich in seinem Appartement auf, hörte im Radio mit Vorliebe Opernmusik oder saß vor dem Fernseher und genoß amerikanische Krimis. Am meisten aber hielt er sich in der Hotelbar auf und soff wieder wie ein Elefant. An zwei Abenden torkelte er in sein Appartement und fiel aufs Bett.
    Am dritten Tag begegnete er Jermila Dorot.
    Sie hatte sich auf einen Barhocker gesetzt und sah hinreißend aus.
    Moskau ist eine herrliche Stadt, wenn die Sonne scheint. Dann blühen die vergangenen Jahrhunderte wieder auf, und die Schönheit der Kirchen, Paläste und Klöster, die Gigantomanie der Sowjetbauten und die Parks am Ufer der Moskwa werden zu einem ganz persönlichen Erlebnis.
    Moskau im Regen – wie alle Städte im Regen – häßlich und abstoßend. Man fühlt sich irgendwie einsam und verloren in diesem Gebirge aus Stein und Beton, und man sieht plötzlich die Narben der Vergangenheit und die Gebrechen der Gegenwart.
    So jedenfalls empfand es Victoria Miranda. Seit ihrem Eintreffen in Moskau war wenig geschehen, genau genommen, gar nichts. Sie lebte in der amerikanischen Botschaft, nahm ihre Mahlzeiten mit den anderen Botschaftsangehörigen ein, abends manchmal mit dem Botschafter selbst, und hatte tagsüber viel Zeit, sich mit der Stadt zu beschäftigen. Sie lernte Leute kennen, Gäste des Botschafters, hohe russische Militärs, Schriftsteller, neue Wirtschaftsbosse und sogar zwei Minister, aber an ihre wirkliche Aufgabe kam sie nicht heran.
    Kevin Reed, der Botschaftsrat, dem sie formell unterstellt war, behandelte sie so, wie er sie empfangen hatte. Er hielt sie für nutzlos. Ihren Plan, sich in die Moskauer Unterwelt einzuschleusen und die Atommafia aufzuspüren, nannte er schlicht ›absoluten Wahnsinn‹. Auch bezweifelte er, daß es diese Atommafia überhaupt gab. Es gab keine Beweise dafür, nur Vermutungen, und Vermutungen in der Politik führen meistens zu einer Blamage oder gar Niederlage. Politik ist wie eine Gummiwand … je gründlicher man dagegen rennt, um so heftiger wird man zurückgeworfen.
    »Wenn die CIA keinen greifbaren Gegner hat, erfindet es einen!« sagte Reed einmal im Kreis von Vertrauten. »Das ist typisch: Man muß beweisen, wofür man die Millionen von Dollar kassiert.«
    Sechs Tage erduldete Victoria diese Atmosphäre … am siebten Tag zeigte sie Kevin Reed, daß sie aus dem Stall von Oberst Curley stammte. Ein Kind der Abteilung II/10, das alle Sonderrechte ausnutzen durfte.
    »Ich weiß, wie Sie über mich denken, Kevin«, sagte sie. Ihre Stimme klang ruhig, aber bestimmt. »Aber das ist mir egal! Ich habe nun sechs Tage lang die Ferien in Moskau genossen und habe auch die Schonfrist erduldet. Damit ist nun Schluß! Nur weil ich ein geduldiger Mensch sein kann, habe ich bisher keine Beschwerde nach Washington geschickt.«
    Botschaftsrat Reed schwieg und sah Victoria mit seinen wasserhellen Augen an. Er bereitete sich innerlich auf eine Auseinandersetzung mit ihr vor, ja, er hatte geradezu darauf gewartet, daß es zu einem Ausbruch kommen würde.
    »Ich möchte umgehend eine eigene Wohnung, das ist meine Forderung Nummer eins.«
    »Sagen wir Forderung Null! Ich habe Ihnen schon erklärt, daß in Moskau Wohnungsnot herrscht. Wohnungen werden nicht vermietet, sondern zugeteilt. Oder durch Korruption und Bestechung vermittelt.«
    »Dann bestechen Sie!«
    »Das ist eine typische CIA-Antwort.« Reed lächelte mokant. »Wir werden unsere Verbindungen spielen lassen. Was ist Forderung Nummer zwei?«
    »Ich möchte eine Liste aller Lokale, Hotels und Kulturstätten haben, in denen man die neuen Wirtschaftsbosse Rußlands treffen könnte. Vor allem die mit einer befleckten Weste.«
    »Da gibt es eine Menge, Lieutenant Miranda.« Reed genoß es, das Wort Lieutenant auf der Zunge zergehen zu lassen.
    »Bitte. Ein paar Namen als Anfang.«
    »Ein Lokal, in dem es bei vollem Licht durch die Anwesenheit einer Menge Dunkelmänner immer dunkel ist, ist die Bar Tropical. Eine Mischung von Saufpalast, sexuellem Varieté und Puff. Hier vergnügen sich die neuen Millionäre. Grob geschätzt, sitzen da pro Abend einige hundert Jahre Knast herum.«
    »Das weiß man und tut nichts?«
    »Wer sollte etwas tun? Die Polizei? Die ist korrumpiert. Hohe Polizeifunktionäre stehen auf den Gehaltslisten der ehrenwerten Bosse. Der KGB?« Reed lachte. »Die sitzen selbst an den Tischen oder huren in den Hinterzimmern. In Rußland hat sich viel verändert.

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