Tödlicher Staub
ist dein bester Freund?« fragte Jermila. »Nenn mir seinen Namen.«
»Seinen Namen nennt man nicht, und wenn, dann nur mit Ehrfurcht. Er ist dabei, einen Großhandel mit atomarem Material aufzubauen. Überall sitzen seine Mitarbeiter, in allen Nuklearstädten Rußlands, in allen Reaktorbetrieben, in allen Atomforschungsinstituten. Wenn jemand sagt: Ich brauche zwei Kilo Uran oder zwei Kilo Plutonium … er liefert es. Er kann alles besorgen. Und die höchsten Herren sind seine Freunde, so kann ihn keiner angreifen … alle beschützen ihn, denn alle verdienen an ihm. Ein heimlicher Herrscher. Und ich bin auch sein Freund …«
»Wie heißt er? Lebt er in Moskau?«
»Ja, in Moskau … und überall.« Anassimow legte seinen Kopf auf Jermilas Bauch. Er küßte ihren Nabel, glitt dann tiefer. »Er könnte mit seinen Atomen die Welt beherrschen.«
»Sein Name, Wladi!«
Ein letzter Widerstand in seinem Hirn hinderte Anassimow daran, den Namen auszusprechen. »Ein guter und gefährlicher Freund. Elegant wie aus einem Modeblatt. Und die Finger voller Ringe. An jedem ein Ring. Schade, daß er nur neun Finger hat.«
»Neun Finger?«
»An der linken Hand fehlt ihm ein Finger. Ein Geburtsfehler. Wer seine linke Hand länger als drei Sekunden ansieht, kann Prügel bekommen. Aber das hat noch keiner getan. Jeder blickt daran vorbei. So mächtig ist er …«
»Und er ist der Kopf der Plutoniummafia?«
»Ohne ihn läuft nichts. Nur er kommt an Plutonium heran. Vielleicht noch einige Generäle im Norden Rußlands oder in der Ukraine, in Wladiwostok oder Murmansk, wo die Atom-U-Boote verschrottet werden, aber auch sie bekommt er in seine Hand. Er kann sie alle kaufen. Geld spielt keine Rolle.«
»Sein Name, Wladi. Sein Name!« Jermila schob seinen Kopf von ihrer Scham weg. Anassimow atmete schwer, als bekomme er kaum noch Luft. Wie ein Fisch auf dem Trockenen schnappte er nach Sauerstoff.
»Igor Germanowitsch …«
»Und weiter?«
Anassimow verdrehte plötzlich die Augen, umklammerte Jermilas Leib, begann zu zittern und fiel dann zur Seite. Er lag auf dem Rücken, völlig erschlafft, hinweggetragen aus dieser Welt, als habe er Morphium genommen.
Diese verdammten fünfzehn Tropfen … fünf zuviel.
Jermila erhob sich, stellte das kleine Tonband ab, das hinter einem Couchfuß lag, und ging zum Fenster. Sie winkte kurz hinaus. Alles in Ordnung. Zufrieden entfernte sich Nathan Rishon. In dem kurzen Moment ihres Winkens sah er, daß Jermila nackt war, und das tat ihm körperlich weh. Jetzt sollte man ihn umbringen. Jetzt, wo er alles gesagt hat.
Nachdem sich Jermila überzeugt hatte, daß Anassimow wie narkotisiert schlief, zog sie sich an und verließ das Haus. Rishon erwartete sie in einem Siedlungshaus, nahm das Tonband an sich und fuhr sofort nach Tel Aviv zurück. Bevor er abfuhr, fragte er noch:
»War's schlimm?«
»Nein. Zum letzten ist es nicht gekommen. Ich müßte sonst genäht werden.«
»Solch ein Bulle?«
»Unvorstellbar.«
»Das Glück ist bei den Tapferen.« Rishon grinste. »Du glaubst nicht, wie mich das beruhigt. Paß weiter auf dich auf.«
»Er wird bis morgen durchschlafen … und dann ist alles vorbei.«
Noch in der Nacht wurde das Tonband ausgewertet. Bei allen Geheimdiensten in England, Frankreich, Deutschland, Italien, Österreich und in der Schweiz, bei der Nato und in Spanien, den skandinavischen Staaten und der CIA tickten die Fernschreiber.
Höchste Gemeinstufe. Neue Erkenntnisse:
a) Alle frei verkäufliche Nuklearware stammt aus den GUS-Staaten und anderen ehemaligen Sowjetstaaten.
b) Der Nuklearhandel wird von einem Syndikat in Rußland geleitet.
c) Der Kopf des Syndikats hat die Vornamen Igor Germanowitsch, Nachname noch nicht bekannt.
d) Betreffender Person fehlt an der linken Hand ein Finger (!).
e) Das Syndikat kann jede Menge Plutonium 239 oder Uran 235 beschaffen.
f) Höchste Kreise, u.a. Generäle und Leiter von Instituten, sind an dem Handel beteiligt.
g) Hauptabnehmer sind islamische Staaten.
h) Verbindungen zu privaten Terrorgruppen unwahrscheinlich, da Material zu teuer. Aber Gefahr bei staatlich unterstützten Fanatikergruppen.
Im Hauptquartier der CIA hieb Colonel Curley mit der Faust auf das Faxgerät. »Der MOSSAD! Verdammt noch mal, Jungs … warum ist er besser als wir? Wir sind doch keine blinden Maulwürfe! Aber das verspreche ich euch: Ich werde eure fetten Ärsche in Schwung bringen!«
In Wiesbaden sagte am nächsten Morgen Oberrat Wallner bei der
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