Tödlicher Staub
Ihnen.« Waldhaas klopfte Dr. Sendlinger auf die Knie. »Auch wenn wir einen gottverdammten Job haben.«
»Sie sind Baustoffhändler, ich bin Rechtsanwalt … was ist daran ehrenrührig? Und Hässler zapft Berliner Weiße … lauter integre Männer.«
Es folgte eine Sekunde Schweigen, dann platzten sie los und lachten dröhnend.
Nur selten machte Dr. Sendlinger Witze, aber wenn, dann saßen sie!
So kam es, daß drei fröhliche Männer des Nachts in der bereits geschlossenen Kneipe Zum dicken Adolf saßen und Buletten futterten und dazu roten französischen Landwein tranken.
Am übernächsten Tag flog Dr. Sendlinger nach Moskau, in das Nest der ehrenwerten Gesellschaft ›Roter Falke‹.
Falke … das Synonym für Freiheit ohne Grenzen.
Es war wie immer langweilig und doch spannend – diese nächtliche Streife an der polnischen Grenze. Hunderte Male hatte Bundesgrenzschutz-Oberfeldwebel Lukas im Laufe der Jahre dieses Gebiet durchstreift: in einem Mercedesgeländewagen, Allradantrieb, bulliger Motor, dicke Stollenreifen, sechs Scheinwerfer und ein starker Handscheinwerfer, vor dem Kühler ein stählerner Rammschutz, auf dem Dach ein Lautsprecher und ein sich drehendes Blaulicht mit einer Sirene, die jaulte, wenn sie eingeschaltet wurde. Neben ihm hockte sein Kamerad, der BGS-Unteroffizier Heiner Pflaume, der unter seinem Namen litt und sich schon oft überlegt hatte, ob er nicht eine Namensänderung beantragen sollte. Seine Kameraden, die ihn Pfläumchen oder gar Muschi riefen, oder Fremde, die grinsten, wenn er sich vorstellte, erzeugten bei ihm Aggressionen, die er dank seiner guten Erziehung aber unterdrücken konnte.
Ganz schlimm war es gewesen, als er und Lukas – den man natürlich Prophet nannte – bei einer nächtlichen Kontrollfahrt einen polnischen Schlepper stellten, der gerade dabei war, in Begleitung von sechs wirklich hübschen und wohlgeformten russischen Prostituierten über die deutsche Grenze zu schleichen.
»Unser Pfläumchen sammelt Mösen!« jubelte die ganze BGS-Station. Es war eine Nacht, in der Pflaume zum Massenmord fähig gewesen wäre.
In dieser Nacht nun fuhren sie durch ein Gebiet, das aus lichten Wäldern und Buschland bestand, durchzogen von Feldwegen und unbefestigten schmalen Straßen, auf denen die Bauern das Holz aus den Wäldern transportierten oder zu ihren Äckern fuhren. Im Sprachgebrauch der Zöllner war es so etwas wie eine ›offene Grenze‹ … zwar gab es einen Grenzzaun aus verrottetem Draht, aber dessen Funktion war eher symbolisch. Vor dem Zaun endeten die Wege. Ein Übergang nach Deutschland war hier nur zu Fuß möglich. Daß diese Möglichkeit genutzt wurde, zeigten die Löcher im Zaun, die immer wieder hineingeschnitten und immer wieder geflickt wurden. Die ›Grüne Grenze‹ ständig zu überwachen, war unmöglich. So kam den Streifenbeamten also beim Aufspüren von illegalen Grenzgängern nur der Zufall zu Hilfe.
Dennoch hatte das BGS-Kommando in Frankfurt/Oder genug zu tun. Vor allem an den offiziellen Grenzübergängen stieß man immer wieder auf gestohlene Autos, irgendwo in der BRD geklaut, schnell umgespritzt, mit gefälschten Papieren versehen und mit nicht registrierten Zulassungsnummern bestückt … das große Geschäft polnischer Autoschieber, die, bestens organisiert, als harmlose Deutschlandbesucher nun in die Heimat zurückkehrten. Wie vielen es gelang, durchzuschlüpfen – man kann ja nicht jeden Wagen gründlich kontrollieren, ohne daß der gesamte Verkehr zusammenbricht –, wußte man nicht. Man war sich nur sicher, daß es eine polnische Mafia gab, die sich auf Autodiebstahl im großen Maßstab spezialisiert hatte. Meistens waren es die teuren Wagen wie Mercedes, BMW, Volvo, Jaguar oder Saab, die in Polen sofort weitergeleitet wurden und dann in den Oststaaten wieder auftauchten, aber auch in Afrika und in den arabischen Wüstenländern. Die Autodiebe konnten gut davon leben, vor allem wegen eines perfekt eingespielten Tauschgeschäfts: Mädchen gegen BMW-Kabriolett. Auf dem Dirnenmarkt erzielten Osthuren die besten Preise, ihnen eilte der Ruf voraus, im Bett viel Phantasie zu haben.
Ungefähr zwei Stunden waren Lukas und Pflaume bereits unterwegs, als Lukas sagte:
»Halt mal an, Heiner … ich muß pinkeln.«
Pflaume stellte den Motor ab und schaltete, warum, das wußte er später nicht zu erklären, auch die beiden normalen Scheinwerfer aus. Dann stieg auch er aus, stellte sich neben Lukas und wollte ebenfalls pinkeln, als er
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