Tödlicher Staub
wie fassungslos Louise war, beugte sich zu ihr und küßte sie auf die Stirn. »Warum machst du dir Sorgen? Ich komme doch wieder. Ich bleibe in Paris, solange Bob auch hier ist.«
»Ihr wollt zusammenbleiben?«
»Darüber haben wir noch nicht gesprochen …«
»Und dein reicher Freund in Moskau?«
»Ich weiß nicht, ich habe Angst, ihm zu sagen: Ich komme nicht mehr nach Moskau zurück.«
»Du willst deinen ganzen Reichtum wegwerfen wegen dieses Fulton? Natalja, du kannst nicht mehr klar denken! Wach auf!«
»Wach auf! Das hast du mir auch gesagt, als ich noch alle Männer haßte. Nun liebe ich wirklich … und wieder ist es falsch? Wenn ich an Igor denke, beginne ich zu frieren. Sind Millionen Dollar so wichtig?«
»Man kann ruhiger damit leben.«
»Nein, nicht leben. An Igors Seite kann niemand leben! Was Leben ist, bestimmt er, und er bestimmt auch, wer leben darf und wer nicht. Er ist der Herr … und spielt Gott!«
»Du hast nie seinen Namen genannt. Wer ist er?«
»Ein Mann, der Geld verdient, das andere ihm zutragen.«
»Ein Fabrikant?«
»Nein, eher ein Händler. Er verkauft alles, was Geld bringt. Er sieht das Gold auf der Straße liegen, an dem alle anderen vorbeigehen.«
»Also ein Genie …«
»Auf seine Art, ja. Und er liebt mich … das ist das Schreckliche. Wenn er mich in die Arme nimmt, beginne ich zu frieren. Und dann schließe ich die Augen und werde zur Schauspielerin in einer leidenschaftlichen Liebesszene. Danach könnte ich mich anspucken, ich hasse mein Spiegelbild und schreie mir ins Gesicht: Du elende Hure! Davor will ich fliehen … weg aus Moskau, mit Bob irgendwohin, und das alte Leben vergessen.«
»Du wirst es nie vergessen, Natalja. Es ist in dich eingebrannt. Es ist wie eine Tätowierung, die man nie wieder los wird. Ob dieser Fulton der richtige Mann ist?«
»Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, daß ich ihn liebe und daß ich, zum ersten Mal in meinem Leben, glücklich bin.«
Das war vor einer Stunde gewesen. Jetzt stieg Natalja aus Madames Citroën, und Sybin knirschte mit den Zähnen, als er sie das Hotel Monique betreten sah. Sie sah wie eine Elfe aus in ihrem kurzen, buntgeblümten Sommerkleid und den schwarzen Haaren, in die sie an der linken Schläfe mit einem Clip eine rote Rose geklemmt hatte.
Sybin war unschlüssig, was er jetzt tun sollte. Etwas, das war sicher, mußte geschehen. Seinen ersten Gedanken, ihr nachzulaufen und sie noch im Eingang zu röten, verwarf er wieder. Warum sie töten, dachte er. Damit bestrafe ich mich selbst. Nein, den Mann soll man töten … das trifft sie härter, das wird sie wieder vernünftig machen, das wird eine Warnung für sie sein … vor ihren Augen stirbt ihr Geliebter, und dann wird sie morgen bei Bulgari oder van Cleef and Arpel's den teuersten Schmuck kaufen, den sie haben. Die Erinnerung an diesen Alarm wird man mit Gold ersticken. Nein … sie muß weiterleben, wieder zurück nach Moskau kommen, und dort wird sie die Pläne sehen für einen neuen Palast, der gekauft worden ist. In St. Petersburg, an der Straße nach Puschkin … ein Schloß, wie es der sagenhafte Stroganoff nicht gehabt hat. Und sie wird diesen verdammten Mann vergessen, der es gewagt hat, sie mir wegzunehmen!
So mußt du es machen, Igor Germanowitsch: Töte ihn!
Sybin löste sich aus dem Schatten der Haustür, überquerte die Straße und betrat das Hotel Monique.
Den Plan, den Fulton-Fontana entwickelt hatte, hielt Ducoux für absolut verrückt.
Typisch amerikanisch – das war seine Meinung zu allem, was Fulton ihm vortrug. Eine Wahnsinnsidee, die man in einem Kinofilm einem unbedarften Publikum vorsetzen kann, aber nicht einem Geheimdienst, der eine große Tradition zu wahren hat. Die häufig fehlgeschlagenen Abenteuer der CIA waren hinreichend bekannt, und Ducoux hatte kein Interesse, in ein Unternehmen dieser Art einzusteigen. Die Blamage, die unausweichlich folgen würde, war für alle tödlich. Ducoux hatte nicht die Absicht, frühzeitig in Pension zu gehen.
Das Gespräch fand in einem abhörsicheren Zimmer der Sûreté statt. Nur Ducoux war anwesend und rauchte eine Zigarre, während Fulton seinen Plan präzisierte. Erst später, wenn man sich in groben Zügen einig geworden war, sollten der Innen- und der Außenminister verständigt werden. Natürlich auch Präsident Mitterrand.
»Ich habe mir nun alles angehört«, sagte Ducoux, als Fulton einmal Atem holte. »Und ohne zu unterbrechen. Erlauben Sie mir eine Frage: Meinen Sie das
Weitere Kostenlose Bücher