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Tödlicher Staub

Tödlicher Staub

Titel: Tödlicher Staub Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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er liegt in Experimentierschalen, bleigefütterten kleinen Transportbehältern oder einfach – wegen der geringen Strahlungsreichweite – in ehemaligen Handschuhkästen.«
    »Das ist doch nicht möglich!« sagte Sybin erschrocken.
    »Ich weiß, das ist ein Skandal. Im Institut ist vieles faul … und deshalb muß ich bleiben, um diese Mißstände so gering wie möglich zu halten.«
    »Wieviel können Sie von diesem Staub liefern, Gasenkow?«
    »Nichts. Auch bei unserem schlechten Meßsystem würde es sofort auffallen …«
    »Denken Sie immer an Frau und Kinder! Ständig … das wird Möglichkeiten erschließen.«
    »Höchstens zehn Gramm Plutonium 239. Höchstens!« Gasenkow bog den Kopf nach hinten und starrte die getünchte Decke und die nackte Glühbirne an. »Damit können Sie nichts anfangen.«
    »Aber Sie kennen Adressen, wo Plutonium in Mengen lagert.«
    »Da gibt es viele. In Tomsk, in Krasnojarsk, im Atomwaffenzentrum Arsamas in der Nähe von Nowgorod, in Majak – da soll am meisten liegen – und in Ozjorks. Vorräte gibt es auch in Schewtschenko und Belojarsk, wo noch die schnellen Brüter arbeiten. Und dann Tscheljabinsk-65. Aber da kommen Sie nie ran.«
    »Das ist mein Geschäft.« Sybin war zufrieden. Gasenkow bestätigte die Informationen, die er bereits von Professor Kunzew erhalten hatte, der wiederum Natalja dies alles erzählt hatte. Und der im Bett so geschwätzige Oberst Micharin hatte sogar Zahlen genannt … allein in Majak, dem ehemaligen Tscheljabinsk-65, lagerten, nur notdürftig gesichert, in Betonbehältern über dreiundzwanzig Tonnen reines Plutonium. Und Tscheljabinsk war auch das Hauptziel von Sybins Einkaufsreise.
    Aus Gasenkow war nicht mehr herauszuholen, das sah Sybin ein. Er glaubte ihm, daß nur wenige Gramm aus dem Kurtschakow-Institut zur Seite geschafft werden konnten. Erst schien ihm das sehr unwahrscheinlich zu sein: Das Moskauer Institut bestand aus über zwanzig Reaktoren, Labors und Lagern, ein fünf Kilometer langer Sicherheitszaun umgab es, gespickt mit Fernsehkameras und Selbstschußfallen, elektronischen Minenzündern und einem schußfreien Todesstreifen. Und daß hier keine größeren Mengen von Plutonium oder Lithium lagerten, war zu erklären; denn Moskau wäre bei einem Unfall von der totalen Vernichtung bedroht gewesen.
    »Meine Freunde werden Sie jetzt nach Hause bringen, Lewon Anatolowitsch. Aber vergessen Sie nie: Ein einziges Wort von Ihnen in der Öffentlichkeit … und Ihre Familie wird Sie verfluchen. Eine kleine Warnung nur für Sie. Ihrer Tochter Marina hat man in dieser Stunde die Haare geschoren. Sie trägt jetzt eine Glatze. Begreifen Sie bitte, daß wir zu allem fähig sind und es keine Hindernisse für uns gibt.«
    »Sie Satan! Satan!« schrie Gasenkow. Er sprang auf und rannte in dem leeren Zimmer hin und her. »Aber triumphieren Sie nicht zu früh. Man wird auch Sie finden!«
    »Kaum!« Sybin schüttelte den Kopf. Er war sich seiner Sache völlig sicher; zu weit reichten seine Beziehungen in Kreise, die eigentlich die Aufgabe hatten, Männer wie ihn unschädlich zu machen. Aber wem man Geldscheine auf die Augen drückt, der sieht nichts mehr. »Sie sind ein dummer Mensch, Professor«, sagte Sybin, während er zur Tür ging, um zu klopfen. Aufmachen! »Sie könnten Millionär werden. Statt dessen sind sie Patriot! Wo gibt es das noch in Rußland? Wir sind aus den Angeln gehoben worden … sehen Sie das nicht? Was machen Sie, wenn Sie entlassen werden?«
    »Mich wird niemand entlassen. Ich weiß zuviel. Ich bin unkündbar.«
    »Darauf würde ich kein Gläschen Wodka wetten.« Die Tür sprang auf. Sybin zeigte hinaus. »Leben Sie wohl, Gasenkow … und immer an das Rasiermesser denken …«
    Mit schnellen Schritten, es wirkte wie eine Flucht, verließ Gasenkow das leere Zimmer mit dem Stuhl, dessen Sitzfläche feucht war … so hatte er geschwitzt.
    Am nächsten Tag flog Sybin nach Tscheljabinsk.
    Das war jetzt möglich. Noch vor ein paar Jahren gehörte das ganze Gebiet zu einer Sperrzone, und es gab vor allem in Westsibirien Namen, die auf keiner Landkarte standen, sondern nur in den Akten des Atomministeriums existierten. Orte wie Sneschinsk, Arsamas-16, die U-Boot-Werft Sewmasch südöstlich von Murmansk oder die Atomkraftwerke von Balachowo und Bilibinsk suchte man vergeblich in dem riesigen Rußland … aber Sybin hatte inzwischen erfahren, daß es neunundzwanzig Reaktorblöcke in neun Atomkraftwerken jenseits des Urals gab, und rund

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