Tödlicher Staub
starrte den eleganten Mann an, der zwei Köpfe größer war als er.
»Seien Sie willkommen, Lewon Anatolowitsch«, sagte Sybin höflich, »und verzeihen Sie den kleinen Trick, mit dem ich Sie hierherholen ließ.«
»Ich verzeihe Ihnen gar nichts!« Gasenkow war mutig, aber nur mit Worten. Körperlich war er immer unterlegen. »Wer sind Sie?«
»Ein Freund, der Sie reich machen will.« Sybin nickte seinen beiden Männern zu; sie verließen sofort das kahle Zimmer und schlossen hinter sich die Tür. »Nehmen Sie doch Platz, Professor Gasenkow.«
Gehorsam setzte sich Gasenkow auf den einzigen Stuhl. Er spürte keine Angst, nur das unangenehme Gefühl, bald mit etwas Ungewöhnlichem konfrontiert zu werden.
»Was soll das alles? Was wollen Sie von mir?« fragte er laut.
»Sie haben die richtige Richtung eingeschlagen.« Sybin lächelte. »Ja, ich will etwas von Ihnen. Und dafür bekommen Sie etwas von mir. Sie sind einer der Leiter für waffentechnische Atomforschung, stimmt das?«
Gasenkow zögerte einen Moment, dann antwortete er kurz: »Ja.«
»Ein Gebiet, das mich interessiert. In Ihrem Institut lagern doch Plutonium 239 und Lithium 6.«
»Darüber kann ich nicht sprechen.«
»Sie können, Professor, Sie können. Ich möchte Sie nur darauf aufmerksam machen, daß Sie eine Frau und zwei Töchter haben. Eine gesunde Familie … eine noch gesunde Familie.«
Gasenkow sprang von seinem Stuhl auf. »Was soll das heißen?!« rief er mit zitternder Stimme.
»Genau das, woran Sie jetzt denken. Sie lieben Ihre Frau und Ihre Töchter … welcher Ehemann und Vater täte das nicht?! Und jeder Mann ist bestrebt, Unbill von seinen Lieben fernzuhalten.«
Gasenkow setzte sich wieder auf den Stuhl, aber es war mehr ein Zurücksinken. »Was wollen Sie von mir?« fragte er. Seine Stimme klang jetzt rauh, als seien seine Stimmbänder abgeschmirgelt worden. »Soll ich Ihnen Staatsgeheimnisse verraten?«
»Damit kann ich nichts anfangen, wohl aber mit vier Kilogramm Plutonium 239.«
Gasenkow starrte Sybin an, als habe sich dieser plötzlich in ein Tier verwandelt. Es dauerte ein paar Sekunden, bis er sich wieder gefaßt hatte. »Was sagen Sie da?« fragte er endlich.
»Es kann auch Lithium 6 oder Uran 235 sein«, sagte Sybin mit teuflischer Freundlichkeit.
»Sie sind verrückt!«
»Und Sie sind kurzsichtig, Lewon Anatolowitsch. Wieviel verdienen Sie als Abteilungsleiter im Kurtschakow-Institut? Ich weiß es. Umgerechnet fünfundsiebzig Dollar im Monat. Mit Prämien höchstens hundert Dollar. Ein so kluger Fachmann wie Sie! Ein Atomexperte! Das ist doch beschämend! Das muß doch Ihr Selbstwertgefühl beleidigen!«
»Man gewöhnt sich daran.« Gasenkow schlug die Beine übereinander. »Um Ihnen meine Einstellung zu verdeutlichen: Mir ist von einem anderen Staat ein Monatsgehalt von elftausend Dollar geboten worden, wenn ich auswandere und dort meine Kenntnisse verwerte.«
»Ich weiß. Sie sind nicht der erste, der ein solches Angebot erhalten hat. Es kommt aus dem Iran. Aber auch elftausend Dollar sind nur ein Trinkgeld. Ich biete Ihnen für ein Kilogramm Plutonium 239 – halten Sie sich am Stuhl fest! – zweihunderttausend Dollar. Garantiert auf ein sicheres Schweizer Nummernkonto.«
»Sie sind doch verrückt!«
»Treiben wir es auf die Spitze: dreihunderttausend Dollar. Mein letztes Wort.«
»Nicht für dreihundert Millionen! Ich liebe mein Vaterland! Ich verrate es nicht! Ich bin ein Patriot! Auch wenn jetzt nach der Perestroika und unter Jelzin das Volk ärmer und gewisse Kreise, zu denen Sie bestimmt gehören, reicher als reich werden, ich bleibe bei meiner Treue zu Rußland.«
»Ist sie wichtiger als Ihre Treue zu Frau und Kindern?«
»Sie … Sie wollen sie umbringen, wenn ich mich weigere?«
»Aber nein, Lewon Anatolowitsch! Aber bedenken Sie bitte, daß ein Rasiermesser nicht nur einen Männerbart abschaben, sondern auch ein Mädchengesicht zerschneiden kann. Und ein paar Tropfen Salzsäure in die Augen haben eine fatale Wirkung.«
»Sie … Sie … Teufel …« Gasenkow stöhnte laut auf. Er ballte die Fäuste, aber er blieb sitzen. »Sie sind kein Mensch … nein, Sie können kein Mensch sein.«
»Beleidigungen rinnen an mir ab wie an einem Wachstuch. So kommen wir nicht weiter. Wieviel können Sie liefern?«
»Nichts! Im Institut lagern nur geringe Mengen, zu Forschungszwecken. Damit können Sie gar nichts anfangen, was auch immer Sie vorhaben. Was wir haben, ist mikrofeiner Plutoniumpulverstaub …
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