Toedlicher Staub
Neugierigen stand auch Kevin und verfolgte das Interview, einen Eiswürfel lutschend, völlig baff, dass niemand zwei verbrannte Leichen erwähnte.
Als Trincas später in die Kneipe im Viertel Sant’Avendrace trat, wussten bereits alle, was passiert war.
»Eine Lokalrunde auf mich«, bestellte er und legte einen Hunderter auf den Tresen. »Und ganz besonders freue ich mich, wenn jemand interessante Neuigkeiten für mich hat.«
Er kippte ein Glas Bier hinunter und legte noch einen Schein desselben Wertes dazu, falls jemand die Botschaft noch nicht ganz begriffen hatte.
Zu Hause angekommen, umarmte Gloria ihn fest, flüsterte ihm liebevolle und tröstende Worte ins Ohr und erinnerte ihn ans Familienmotto: Herz, Eier und Stolz. Sebastiano war sterbensverliebt in seine Frau. Sie waren seit einer Ewigkeit zusammen, und er verdankte ihr sehr viel. So hütete er sich wohl, ihr von seinen Racheplänen zu berichten. Sie wäre die Einzige gewesen, die ihn davon abbringen könnte.
Aus der Tasche nahm er den Ring, den er aus den Flammen hatte retten können. »Herzlichen Glückwunsch zum Hochzeitstag«, schnurrte er ihr ins Ohr. Dann ging er duschen.
»Bist du auch wirklich sicher?«, fragte Ghisu zum x-ten Mal.
Kevin schnaubte verächtlich. »Was soll ich sagen? In dieser Strandbar ist niemand gestorben.«
»Wie sollen die denn da rausgekommen sein?«, platzte Alex heraus. »Wir hatten die völlig fertiggemacht.«
»Hast du die Frau nur gefickt oder auch zusammengeschlagen?«, fragte der Chef Angelo, der ungestört mit der Klinge eines Klappmessers ein paar Linien Koks bereitmachte.
»Die war hinüber, bombensicher.«
»Ich hab nur gesehen, wie er ihr ’nen Kopfstoß auf die Nase verpasst hat«, bemerkte Alex.
»Ach, und den Tritt in den Bauch nicht oder was?«
»Mehr nicht?«, fragte Ghisu. »Kaltmachen solltest du sie, das war der Befehl.«
»Der wollte keine Tote vögeln, das war’s«, kicherte Kevin.
»Die muss aufgewacht sein und ihren Freund rausgeschafft haben. So und nicht anders.«
Ignazio Ghisu war es egal, wie es abgelaufen war, er wusste nur, dass er ein Problem hatte. Sobald sie von der brennenden Bar weggegangen waren, hatte er Franchino eine SMS geschickt: »Die Freunde sind weg.« In Wirklichkeit waren sie wer weiß wo, und er musste sie schnellstens auftreiben, bevor der Auftraggeber ihm auf den Pelz rückte.
Er machte sich nicht zu Unrecht Sorgen. Ungefähr eine Stunde vorher hatte Ceccarello per Telefon Franchino heruntergeputzt, weil er sich von einem blöden Dealer hatte verarschen lassen. Via Satellit hatte er von seiner Yacht aus die sardischen Nachrichtensendungen verfolgt, in der Hoffnung, Nazzaris verkohlten Leichnam zu sehen zu bekommen, die Journalisten hingegen hatten mehrfach betont, zum Glück sei niemand zu Schaden gekommen.
Franchino stellte sich gerade in einer Schlange an, um ein Ticket für den nächsten Flug nach Cagliari zu bekommen. Er war nicht allein. Neben ihm wartete ein großgewachsener, schlanker und völlig kahler Mann in den Vierzigern. Er ließ sich Luca nennen. In seinen Kreisen hieß er allgemein Luca, der Neapolitaner. Er hatte sich im Kosovo von den Albanern als Söldner anheuern lassen und hatte in Scampia, einem Vorort von Neapel, auf Seiten der Di Lauro im Krieg der Camorra-Clans mitgekämpft. Ein Haftbefehl hatte einen Luftwechsel geraten erscheinen lassen, aber er war nicht lange arbeitslos gewesen. Gewisse professionelle Fähigkeiten bleiben nie lange ungenutzt.
Pierre wurde von den Schmerzen geweckt, die überall in seinem Körper pochten. Er schlug die Augen auf und sah Nina von hinten, auf dem Bettrand sitzend. Sie wirkte niedergeschlagen. Ihm trat das Bild eines der Angreifer vor Augen, wie er ihren Rock hochschob. Ein klares Foto, aber mehr nicht. An dem Tag, als Deidda ihm bedeutet hatte, er werde irgendwann »an andere« weitergegeben, da hatte er sich gefragt, was wohl aus ihm werden sollte, falls er einmal nicht mehr gebraucht würde. Die Antwort hatte er vor ein paar Stunden erhalten.
»Ich lebe ja noch, wie kommt das?«
Nina drehte sich mit einem Ruck um. » Wir leben noch, du Arschgesicht. Sie wollten mich auch verbrennen, aber erst haben sie mich zusammengeschlagen und vergewaltigt.«
»Das tut mir leid.«
»Ach, leid tut dir das?«, rief sie wütend. »Du erzählst mir alles, und zwar jetzt sofort!«
»Wie, erzählen?«
Sie schleuderte ihm den Reisepass ins Gesicht. »Zum Beispiel, wer du bist, du Lügner.«
Pierre kniff die
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