Toedlicher Staub
massakrieren. Diejenigen, die Pierre so zugerichtet hatten, waren echte Profis, aber er selbst war ein gefürchteter Schläger, und trotz seiner vierundvierzig Jahre würde er sie in Klump und Asche hauen.
Er spürte, jetzt hatte er die Schwelle zu einer Art von Problemen überschritten, die sich, war man einmal darin verwickelt, nicht mehr steuern ließen. Er spürte es einfach. Aber auch das war ihm egal.
»Wann kommt er wieder zu sich?«, fragte er mit einem Blick auf Pierre.
»Nachmittags«, sagte der Arzt. »Wenn er sich erbricht oder es ihm schlechter geht, schau zu, dass du ihn ins Krankenhaus schaffst. Oder hierher. Dann kümmere ich mich um ihn.«
»Nur die Ruhe, ich lass ihn schon nicht sterben.«
»Bring ihn in gut einer Woche wieder her, dann ziehe ich ihm die Fäden.«
Sebastianos Handy klingelte. Gloria, seine Frau, vollkommen außer sich, weil sie gerade von der Polizei erfahren hatte, dass Un posto al sole in Flammen aufgegangen war.
»… Nein, das Wichtigste ist, dass es dir gut geht. Ich hab so einen furchtbaren Schrecken gekriegt«, meinte sie schließlich etwas erleichterter.
»Es geht mir gut, keine Sorge.«
»Sie erwarten dich an der Bar.«
»Ich fahre gleich hin.«
Die Sonne stand schon hoch am Himmel, als Trincas Pierre und Nina in einem Landhaus in der Nähe der Lagune von Simbirizzi auf dem Land bei Quartu Sant’Elena unterbrachte. Es gehörte einem Typen, der ihm jede Menge Geld schuldete und jetzt in Österreich lebte. Über das Haus hatte er nie mit einer Menschenseele geredet, nichts auf der Welt konnte ihn mit dem Ort in Verbindung bringen. Das Versteck war absolut sicher und dabei nicht einmal allzu schäbig oder gar baufällig. Sebastiano hatte immer Wert darauf gelegt, es gut in Schuss zu halten, irgendwann mochte es ja von Nutzen sein. Pierre schlief sofort weiter, Nina stellte sich angezogen unter die Dusche, unter der sie sich schließlich erschöpft und langsam entkleidete. Das Wasser war kalt, es machte ihr nichts aus, ihr war, als wäre der Gestank des Schnapses bis unter die Haut gedrungen. Danach ging sie, in ein Badetuch gehüllt, ins Schlafzimmer zurück, streifte Pierre die Schuhe ab, löste seinen Gürtel und zog ihm behutsam die Hose herunter. Als sie sie aus Gewohnheit faltete, fiel aus einer der Seitentaschen ein Umschlag heraus. Nina hob ihn auf und untersuchte den Inhalt. Mit zwei Fingern zog sie den Reisepass hervor, als wäre er brühheiß, und als sie unter dem Foto dessen, den sie bislang als Marco de Rossi gekannt hatte, einen anderen, offenbar französischen Namen las, fühlte sie sich noch verlassener, verzweifelter und bedrohter. Am liebsten hätte sie Sebastiano angerufen, aber ihr Handy war mit der Handtasche verbrannt. Sie setzte sich auf die Bettkante und wartete, dass das Arschloch, mit dem sie geschlafen hatte, aufwachte.
Von der Strandbar waren nur die drei letzten Buchstaben der Leuchtschrift übrig geblieben. Schwarz angelaufen, verformt, aber noch lesbar. Alles andere war Asche und Klumpen geschmolzenen Plastiks. Mit Bravour und Bescheidenheit spielte Sebastiano Trincas die Rolle des ruinierten Inhabers. Die Polizisten setzten ihm mit allen möglichen Fragen zu, doch am meisten schmerzten ihn die Beileidsbesuche der anderen Barbesitzer, die ihm zwar ihr in manchen Fällen nicht einmal geheucheltes Bedauern ausdrückten, jedoch nicht anders konnten, als sich auszurechnen, wie viel Mehreinnahmen das jetzt für sie bedeutete. Er nutzte die Gelegenheit, Cristina und die anderen jetzt arbeitslos gewordenen Mädchen unterzubringen.
»Ich hab gehört, du sollst so einen tollen Barkeeper haben?«, fragte einer, der sich besonders für Pierre interessierte.
»Der hat schon was in Porto Cervo gefunden«, log Sebastiano prompt.
Außerdem musste er die Stammkunden trösten, die auf einmal ihre Lieblingsbar verloren hatten: »Und wo sollen wir jetzt hingehen?«, fragten sie bekümmert.
Sebastiano kochte innerlich. Er wollte möglichst schnell nach Hause zu Gloria, die keine Lust gehabt hatte, sich das Desaster anzusehen. Unterwegs würde er allerdings noch in einer bestimmten Kneipe haltmachen und das Gerücht streuen, dass er bereit sei, gut für eine Information zu zahlen. Überflüssig zu sagen, für welche.
Jetzt waren erst einmal die Journalisten und die Kamerateams der Privatsender an der Reihe. In die Mikrophone sagte er, die Brandstiftung müsse das Werk auswärtiger Rowdys sein. In der Menge der von den TV-Kameras angelockten
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