Toedlicher Staub
andere grinste: »Sie hat unserer Einladung nicht folgen wollen, sich zu verpissen.«
Sebastiano tat beeindruckt, und Cannas nutzte das, um ihn zu drängen. »Und jetzt sag mir, was Franchino gewollt hat.«
»Er wollte dasselbe wissen wie du: Wo Nina und Marco stecken.«
»Und was hast du ihm gesagt?«
Sebastiano holte tief Luft. Er wollte alles auf eine Karte setzen. »Dass ich es nicht weiß. Ich wollte erst Tore Moi um Rat fragen.«
»Warum das?«
»Die Information ist wertvoll.«
»Einen Scheißdreck ist sie wert für dich. Und das würde dir auch mein Partner sagen.«
»Das glaube ich eben nicht.«
»Sag mir, wo sie sich verstecken.«
»Ich will Geld dafür, und zwar jede Menge«, knurrte Sebastiano.
»Du armer Idiot.«
Trincas stand auf. »Sorg dafür, dass Tore mich anruft.«
»Setz dich wieder hin«, befahl Cannas. »Wir sind noch nicht fertig.«
Ohne weiter auf ihn zu achten, verließ Sebastiano das Lokal. Auf der Rolltreppe ins Parkhaus nahm er das kleine Aufnahmegerät, das er als Sonderangebot gekauft hatte, aus der Tasche, spulte zurück und drückte auf Play. Marios Stimme war ausgezeichnet zu verstehen. Was für eine Knalltüte.
Mario Cannas aß erst einmal sein Steak und die Fritten auf. Dann bestellte er ein Dessert, einen Kaffee und einen Schnaps. Er war wütend und verwirrt. Der Scheißkerl hatte ihm die Stirn geboten, und am Ende war wie immer alles in Tore Mois Händen geblieben. So langsam konnte er seinen Partner nicht mehr ertragen. Um die Wahrheit zu sagen, hatte er ihn schon seit einer Weile satt bis an den Rand. Nur war er ohne ihn nichts und niemand und würde bis an sein Lebensende Zellen auf- und zusperren. Er bestellte noch einen Schnaps.
Tore kam nur selten zum Mittagessen nach Hause. Im Flur begegnete er seiner Frau Anna Paola, die ins Fitnessstudio unterwegs war, wie er an der ultrateuren Markenkleidung erkannte.
»Ich hab nichts gekocht, ich hab ja nicht wissen können, dass du kommst«, sagte sie. »Jetzt gebe ich Rosario Bescheid, dass sie dir einen Teller Spaghetti macht.«
»Das kann die doch nicht. Wo die herkommt, wissen sie höchstens gerade mal, was Pasta überhaupt ist«, entgegnete er, vergrätzt durch die Aussicht, allein essen zu sollen. »Schick sie in den Laden, was holen. Vielleicht einen Fritto misto.«
Anna Paola zögerte auf der Schwelle, unsicher, ob sie die Philippina mit ihrem Mann allein lassen sollte. Tore konnte die Hände nicht bei sich behalten, und so gab es bei ihnen eine beträchtliche Fluktuation der Haushaltshilfen. Sie wusste wohl, dass ihr Mann seine Zudringlichkeiten nicht abstellen konnte, so dass die Hilfen sich immer wieder gezwungen sahen, auf diese an sich gute Stelle zu verzichten. Sie selbst war nicht besonders anspruchsvoll, anders als andere Damen des Hauses, die morgens mit dem einzigen Ziel aufstanden, die Bediensteten zu quälen. Sie betrachtete Rosario, die sich gerade andere Schuhe anzog. Mamma mia, was war die hässlich, wenn Tore der an die Wäsche gehen sollte, dann war er wirklich krank. Sie öffnete die Tür und ging grußlos hinaus.
Der Ex-Finanzpolizist hatte beim besten Willen nicht vor, Rosarios Hintern zu begrapschen, vor allem nicht an einem Tag, der von früh an voller positiver Nachrichten war. Er vertrieb sich die Wartezeit auf das Essen in seinem Lieblingssessel mit der Lektüre des Artikels, aufgrund dessen der Senator eine außerordentliche Sitzung einberufen hatte.
Der Titel ging quer über die Seite:
SALTO DI QUIRRA, ANTITERRORISMUS-ÜBUNGEN
Was ihn aber hatte aufmerken lassen, war nicht der Tonfall des Artikels, sondern dessen inhaltlicher Hintergrund.
Tore Moi las noch einmal, dass einer der Bürgermeisterkandidaten für Perdas de Fogu – es waren sieben an der Zahl (und er kicherte, denn nicht mal in Rom hatten sich so viele zur Wahl gestellt) – seinen Wahlkampf auf der Forderung aufgebaut hatte, die »römischen Politiker«, wie er in dem Artikel zitiert wurde, sollten dafür sorgen, dass die neue für das militärische Sperrgebiet geplante Start- Landebahn rasch gebaut wurde. Der Kandidat kannte keine Zweifel: »Wir müssen die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unser Sardinien in die jüngst zwischen Piemont, Apulien und Kalabrien beschlossene Kooperation eingegliedert werden kann.« Der Kandidat mochte sich in wahlkämpferischen Versatzstücken ergehen, aber Moi interessierte sich mehr für den journalistischen Teil des Artikels. »Dank seiner europaweit konkurrenzfähigen
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