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Tödlicher Steilhang

Tödlicher Steilhang

Titel: Tödlicher Steilhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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begeistert. Auch der Rivaner von der Lage Brauneberger Juffer und der Weiße Burgunder vom Veldenzer Kirchberg begeisterten nicht. Georg konnte nicht sagen, was ihm fehlte, aber der eine war ihm zu süß, der andere zu spitz  – war das der richtige Begriff? Und der Kerner vom frisch verwitterten steinigen Tonschiefer war auch nicht nach seinem Geschmack. Georg hatte inzwischen Besseres probiert.
    Der Winzer lobte seine Gewächse in höchsten Tönen, besonders den Riesling vom Mülheimer Sonnenlay, sprach vom idealen Preis-Leistungs-Verhältnis, vom Bewahren der Tradition, vom Terroir und davon, dass er sich von der üblichen Bezeichnung trenne, die Weine nach ihrem Zuckergehalt nach Kabinett, Spätlese und Auslese zu klassifizieren. Es sei viel wichtiger, rebsortenreine Weine zu keltern, die den Weinberg ausdrückten, auf dem sie gewachsen waren.
    Georg fühlte sich desorientiert, weder fand er den Weinberg noch das, was die Rebsorten ausmachten, er konnte auch die Beschreibung des Winzers im Weingeschmacknicht nachvollziehen. War das weniger dem Wein als seiner mangelnden Erfahrung zuzuschreiben? Andererseits standen diese Begriffe und Sätze, eigentlich Postulate oder großspurig »Philosophie« genannt, in jedem Prospekt.
    »Ich lasse Sie mal einen Moment allein«, sagte Weissgräber, im Flur hatte das Telefon geklingelt.
    Georg stand auf, um die Toilette zu suchen, er konnte sich dabei umschauen, eventuell sogar hören, worum es bei dem Telefonat ging. Doch der Winzer war mit dem Apparat in ein Nebenzimmer gegangen und hatte die Tür geschlossen, er sprach zu leise. Der Flur war dunkel, weiter vorn fiel Licht durch eine geöffnete Tür, es war das Büro, drinnen herrschte Chaos.
    »Was wollen Sie hier?«, herrschte ihn der Winzer an, absolut geräuschlos hatte er sich von hinten genähert. »Wo der Probierraum ist, wissen Sie ja wohl! Was suchen Sie hier?«
    Bösartigkeit und die Spannung, die Georg an Weissgräber längst bemerkt hatte, schwangen in der Stimme mit.
    Einen Streit musste Georg mit einem Mann wie diesem unbedingt vermeiden, und er erklärte ihm ruhig, einem dringenden Bedürfnis nachkommen zu müssen, woraufhin ihm barsch der Weg gewiesen wurde.
    »Und kommen Sie sofort zurück, wir probieren jetzt die Roten!«
    Auch nach dieser Probe zeigten sich die Kunden nicht begeistert, und der Winzer wirkte verstimmt, er hatte nicht eine Flasche verkauft. Georg nahm ihm zumindest einen Sechserkarton Dornfelder ab, es war der beste von allen. Der war für Pepe und seine Freunde, sie waren nicht so wählerisch.
    »Sie sollten mal bei Wilhelm Haag vorbeischauen, da merkt man den Unterschied«, flüsterte ihm einer der verstimmten Herren zu, als er zum Wagen ging. »Da waren wir gerade. Die einen können es, die anderen nicht. Die Haags sind seit dem Jahr 1500 im Weinbau, da hat man es gelernt – oder auch nicht.«
    Georg bedankte sich für den Tipp, er musste Weissgräber aber noch eine wichtige Frage stellen.
    »Kennen oder vielmehr kannten Sie Herrn Albers von der ›Goldenen Gans‹, ein Winzer wie Sie?« Die Frage stellte er im Hof, als der Winzer Georg den Karton in die Hände drückte.
    »Sind Sie deshalb hier?« Weissgräber wechselte sofort in eine Habachtstellung und blickte auf die Autonummer. »Sie sind von hier? Was wollen Sie? Schnüffeln? Ihr wollt mir alle was anhängen! Sehen Sie zu, dass Sie von meinem Hof verschwinden.« Er riss Georg den Karton aus der Hand. »Raus hier!«

    Dümmer kann man sich nicht benehmen, dachte Georg, Weissgräber war in seiner Art beinahe zu verdächtig. Um mehr über ihn zu erfahren, musste er sich von anderer Seite her nähern, auf anderen Wegen, über Leute, die ihn kannten. Er wollte auch Sauter nach ihm fragen.
    Zumindest habe ich einen ersten Eindruck gewonnen, sagte sich Georg auf dem Rückweg, und er beschloss, wo er schon mal hier war, bei der Empfehlung Becker-Steinhauer in Mülheim vorbeizuschauen. Es war zwar bereits sechs Uhr, eigentlich zu spät, aber Winzer waren ja immer im Dienst. Er fuhr bis zum Supermarkt zurück, bog rechts ab, nahm die erste Straße wieder rechts, dann stand er vor einem großen, mit Schiefer verblendetem Haus und fuhr durch die Einfahrt auf den Hof. Hier schufen bereits die Kübelpflanzen eine freundliche Stimmung, man fühlte sich willkommen. Und der Winzer war gut aufgelegt.
    Beim Probieren der Weine aus dem Vorjahr unterhielt man sich über den Frost im Frühjahr, der den früh austreibenden Sorten geschadet habe. Dann

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