Tödlicher Steilhang
hätte ich dir den Kiefer gebrochen, mein Kleiner, merk dir das.« Er nickte seinem Kumpan zu, sie gingen zur Tür. »Morgen habe ich die Säge, ist das klar?«
Manfred blieb benommen zurück, lehnte sich gegen die Werkbank, rieb sich das Kinn, bewegte den Kiefer, starrte mit verzerrtem Gesicht vor sich hin und trat dann wütend gegen eine Plastikwanne, die durch die Halle polterte. Er ging zum WC und kam mit einem nassen Handtuch zurück, das er gegen sein Kinn drückte. Dann begann er zu suchen, wurde hektisch, kopflos rannte er von einer Ecke der Halle zur anderen, zuletzt blieb er vornübergebeugt an der Werkbank stehen.
»Scheiße, Scheiße …«
Das war für Georg der richtige Zeitpunkt, in Erscheinung zu treten. Lautlos trat er aus seinem Versteck und ging auf Manfred zu, der ihm den Rücken zuwandte.
»Suchst du das hier?« Er hielt ihm den Kasten mit der Säge hin.
In panischem Erschrecken wirbelte Manfred herum und starrte ihn an. »Wer … was … Sie?«
»Ja, ich, mein Kleiner. Ich habe sie, und du kriegst sie nicht, es sei denn …«
»Denn … was …?«, stammelte Manfred, zwischen Angst und Wut noch nicht entschieden.
»Du hast einiges zu erzählen. Wir könnten uns setzen, und du berichtest der Reihe nach – Tille ist dein Vater? Ist ja interessant, aber seine Frau ist nicht deine Mutter, wie ich hörte?«
»Ich wusste gleich, dass mit Ihnen was nicht stimmt. Leck mich doch …«
»Das ist mehr deine Rolle. Du hast tatsächlich vor, die nächsten Jahre im Knast zu verbringen?«
»Wieso?« Manfred hatte sich noch immer nicht gefasst.
»Gemeinschaftlich begangener Mord am Winzer Helmut Menges …«
»Wir waren das nicht«, schrie Manfred, und Georg wusste nicht, ob er mehr Angst vor dem Gefängnis, den Rockern oder vor ihm hatte. »Wir haben ihn nicht ermordet, nur die Stöcke angesägt, als Denkzettel, wie bei … runtergeworfen haben ihn andere.« Er kreischte fast.
Georg blieb ruhig, er kontrollierte die Situation. »Warst du auch dabei? Auch als der Wagen vor der ›Goldenen Gans‹ demoliert wurde? Deine Lederjackenfreunde von eben habe ich auf der Hotelterrasse erlebt. Und du hast den Zement in die Toiletten der ›Goldenen Gans‹ geschüttet. Wozu?«
»Das kann mir keiner beweisen …«
»Wenn du in fünfzehn Jahren entlassen wirst, wartet eine ziemlich hohe Rechnung auf dich. Vorher sind sich alle einig, und wenn dann die Rechnung kommt, zahlt jeder sein eigenes Bier. Da ist ein Schaden von einigen Tausend Euro entstanden, plus Verdienstausfall des Hotels, des Restaurants, plus Zinsen. Aus dem Dreck kommst du nie wieder raus. Fünfundzwanzig bist du jetzt?«
Manfred nickte, aber nicht entmutigt. Seine Augen suchten den Fluchtweg oder eine Waffe.
»Schöne Scheiße, so ein Leben. Schwemmer wird dir nicht helfen, der ist auch dran. Er hat die Schläger zu Menges geschickt, von ihm hast du den Zement bekommen. Davon ist bestimmt noch was übrig, mal sehen, wo wir den Rest finden. Hat er dich beziehungsweise euch dazu angestiftet, Menges umzubringen?« Georg bemerkte die Veränderung in Manfred, seine Anspannung zeigte, dass er etwas plante.
Das Handtuch fiel Manfred aus der Hand, er bückte sich danach, griff unter die Werkbank, was Georg wie eine fahrige Geste erschien, dann hatte er ein Brecheisen in der Hand.
»Geben Sie mir die Säge!«
Georg blieb gelassen. »Das meinst du nicht ernst, mein Junge.«
»Nennen Sie mich nicht ›mein Junge‹. Ich will die Säge!«
»Das habe ich verstanden, mein Junge.« Wo das Selbstvertrauen fehlte, war mit Provokationen viel zu erreichen, die Gefühle vernebelten das Denken und die Wahrnehmung. Manfred war zu sehr mit sich beschäftigt, um zu bemerken, dass Klaus durch die Tür im Rolltor getreten war und sie mit offenem Mund anstarrte.
»Du hast heute besonders schlechte Karten, mein Junge. Da ist gerade noch jemand gekommen, der wird den nächsten Mordversuch bezeugen.«
»Auf den Trick fall ich nicht rein.«
Georg sah die Bewegung, mit der Manfred das Brecheisen hob, bereits im Ansatz, und da er damit gerechnet hatte, war er schneller bei ihm, als Manfred mit dem Eisen zuschlagen konnte. Er stieß ihn einfach um, das Brecheisen fiel scheppernd zu Boden, benommen rutschte Manfred an der Werkbank herunter. Er musste irgendwo mit dem Kopf aufgeschlagen sein.
»Das hättest du nicht tun dürfen.« Hatte Georg die Angelegenheit bisher mehr von der sportlichen Seite gesehen, warjetzt Ernst daraus geworden. »Hättest du es
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