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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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einem halb mit brauner Flüssigkeit gefüllten Glas eine Zigarre im Aschenbecher schwelt. Ich lege Handtasche und Klemmbrett ab, lasse mich auf einem der Stühle nieder und hole das Diktiergerät hervor.
    »Sie haben doch nichts dagegen, dass ich unser Gespräch aufzeichne?« Meine Stimme klingt seltsam klein. Ich räuspere mich.
    Er schüttelt den Kopf. »Nur zu.« Damit setzt er sich und legt beide Hände flach auf den Tisch. Zwischen uns steht eine rote Glasschale mit folienverpackten Bonbons. Er hebt sie an, schüttelt sie leicht, hält sie mir hin. »Wollen Sie eins?«
    »Nein, danke.«
    Langsam stellt er die Schale wieder ab, nimmt drei Bonbons heraus und schubst sie zu mir herüber. »Für alle Fälle«, sagt er und lächelt.
    Ohne weiter auf die Bonbons zu achten, lege ich meine Sachen zurecht, prüfe noch einmal, ob das Diktiergerät eingeschaltet ist, und beginne harmlos. »Ihre Wohnung gefällt mir.« Deine dunkle, verrauchte Wohnung, die so dermaßen klischeehaft eingerichtet ist; gruselig wie die Fingernägel von Mickey Rourke.
    »Ja. In die alte konnte ich nicht zurück. Der Vermieter wollte mich nicht mehr.« Er schwenkt seine Zigarre. »Aber was soll’s? Was soll man machen? Irgendwann habe ich die hier gefunden. Sie stand zum Verkauf. Ich habe mein Vorruhestandsgeld dafür genommen. So eine große Summe auf der Bank – warum also nicht? Auf diese Weise bin ich im Quarter geblieben, nur ein paar Straßen von der alten Wohnung entfernt. Hier fühle ich mich zu Hause.«
    »Vorruhestandsgeld?«
    »Ja, von der Schulbehörde. Als ich angeklagt wurde, haben sie mich vorläufig suspendiert. Nachdem das Urteil gesprochen war, kam das Geld. Ich habe fünfundzwanzig Jahre da gearbeitet, das reicht für den Vorruhestand. Sie wollten verhindern, dass die Schule in mein Verfahren hineingezogen wird, dass ihr guter Ruf leidet und so weiter. Hatten Angst, dass Eltern anfangen könnten zu prozessieren. Sie wissen ja, wie die Leute sind.«
    »Das weiß ich, ja. Mussten Sie etwas unterschreiben?«
    »Ja. Ein Formular, das besagt, dass ich mit niemandem über die Schule beziehungsweise meine Zeit dort spreche.« Er lehnt sich zurück und mustert mich eingehend. Zigarrenqualm steigt auf. Dieser Mann ist kein bisschen nervös. »Das bleibt also heute außen vor. Darüber kann ich nicht reden.«
    »Verstehe. In Ordnung. Ich werde keine Fragen in diese Richtung stellen. So besitzen Sie nun diese wunderschöne Wohnung im Quarter.«
    »Ja, großartig.«
    »Wie ist es mit dem Parken? Schwierig? Ich habe hier immer Probleme, einen freien Platz zu finden.«
    »Nein, hier zum Haus gehört eine Garage. Ein ehemaliges Kutschenhaus«, erklärt er. »Historisch und alles. Hinten raus.«
    »Ach, wie angenehm! Und was für einen Wagen fahren Sie?«
    Er runzelt die Stirn. Wir wissen beide, dass das für das Interview keine Rolle spielt.
    »Nichts Besonderes. Einen Sedan.«
    »Natürlich.« Ich strahle ihn an. »Mit der Parkmöglichkeit haben Sie wirklich Glück!« Selbst in meinen eigenen Ohren klingt mein Lachen gezwungen. Ein Wagen und ein Ort, an dem er verschwinden kann. Nur wenige Straßen entfernt von der Stelle, an der Amber Waybridge entführt worden ist. »Erzählen Sie doch mal, wie es sich hier für Sie lebt. Wie die Leute Ihnen begegnen.«
    »Es ist gut hier, wirklich«, sagt er. Und lächelt wieder. »Im Quarter beachten die Leute einander nicht weiter – man sieht sich noch nicht mal an. Viele Wohnungen hier sind immer nur kurzfristig an Touristen vermietet. Mardi Gras. Jazz Fest. Hier sind ständig Touristen unterwegs. Hunderte. Tausende manchmal. Da kann man in der Menge verschwinden. Keiner weiß so genau, wer hierhergehört und wer nur vorbeikommt. Selbst wer dauerhaft hier wohnt, macht sich nicht die Mühe, sich die Namen von Nachbarn zu merken.«
    Ein Schauer kriecht mir über den Nacken. Der Mann ist so unsichtbar, wie man es nur sein kann. »Und wie ist das für Sie?«
    »In Ordnung. Ich bin im Quarter geboren, habe mein Leben lang hier gewohnt und gearbeitet. Hier werde ich auch sterben.«
    »Kürzlich ist hier in der Gegend eine Frau entführt worden. Wussten Sie das?«
    »Ach wirklich?«
    »Inzwischen hat man ihre Leiche gefunden. Sie ist vergewaltigt worden.«
    Er leert sein Glas und schiebt sich mitsamt Stuhl ein Stück vom Tisch weg. »Möchten Sie etwas? Ich hole mir noch einen Schluck Rum.« Er bewegt sich mit der verlangsamten Geschmeidigkeit eines alternden Fußballers.
    »Nein, vielen Dank.«
    »Haben

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