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Toedlicher Sumpf

Toedlicher Sumpf

Titel: Toedlicher Sumpf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joy Castro
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& Mehr verschwimmt zu einem undeutlichen Bild am Rand meiner Wahrnehmung, das Gerede meiner Kollegen zu einem Summen. Allein der Bildschirm ist lebendig.
    Am Ende gebe ich dem Stück den letzten Schliff. Es ist ein Text geworden, hinter dem ich stehe, einer, auf den ich stolz bin. Es ist ein Gefühl wie früher, im WTUL-Studio, wenn ich allein am Mikro saß und auf den Punkt kam – wenn ich meine zornigen Tiraden über den Äther schickte.
    Diese Story wird Claire garantiert nicht vergessen. Und von Nominalstil kann keine Rede sein.
    Ich schreibe eine kurze Mail an sie – Hier kommt die gewünschte Neufassung; hoffe, sie gefällt Dir – und hänge die Datei Plantagen.doc an.
    Aber auf Senden klicke ich nicht. Noch nicht. Ich lasse das Ganze im Ordner Entwürfe . Um acht? Bestens. Claire kann warten. Ich werde es später abschicken. Wenn ich mit meinen Sachen fertig bin.
    Warum ich vor meinen Besuchen bei anderen bemühten Eltern im Garden District unbedingt ein Täter-Interview einschieben musste, weiß ich selbst nicht, aber um Viertel vor zwölf rolle ich vom Parkplatz des Verlagsgebäudes und fahre zu meinem ersten offiziellen Zusammentreffen mit Blake Lanusse. Ich bin hibbelig vom vielen Kaffee, und die Erinnerung an das Gespräch mit Javante Hopkins wirkt auch nicht gerade beruhigend. Mein Magen krampft sich nervös zusammen.
    Ich muss erst mal runterkommen. Atmen. Mich auf die Fakten konzentrieren. Auf den Fall. Nachdem er zu acht Jahren verurteilt worden war, weil er Schulmädchen belästigt hatte, ist Lanusse nach nur drei Jahren wegen guter Führung freigekommen. Seit seiner Entlassung aus dem Orleans-Parish-Gefängnis sind zwei Jahre vergangen; er hatte also genügend Zeit, wieder Fuß zu fassen und über alles nachzudenken. Eigentlich müsste er in der Lage zu sein, ein paar erhellende Einsichten zu liefern – wenn ich die richtigen Fragen stelle, statt an Schubladen voller Messer zu denken und eine Frau vor mir zu sehen, der das Gesicht weggeschnitten wurde. Wenn ich es schaffe, alles andere zu vergessen und mich ganz auf den Moment zu konzentrieren. Wenn ich mich so weit im Griff habe, dass meine Hände aufhören zu zittern.
    Im Quarter angelangt, kreise ich auf der Suche nach einem Parkplatz mehrmals um Lanusses Block und muss am Ende doch weit laufen. Verschwitzt, die Hände ineinander verschränkt, stehe ich schließlich im gleißenden Sonnenlicht und warte darauf, dass er die Tür öffnet.
    Blake Lanusse ist einen Kopf größer als ich, und seine Schultern sind doppelt so breit wie meine. Da steht er im halbdunklen Flur und blinzelt mir entgegen. Er sieht gut aus. Seine Augen sind leicht glasig. Er erkennt mich nicht. Gut. Er wirkt seltsam benommen. Angetrunken vielleicht.
    »Mr. Lanusse?«
    Er nickt.
    »Mr. Blake Michael Lanusse?«, frage ich und beobachte ihn genau. In seinen Augen flackert etwas auf wie die Gasflamme im Innern eines Backofens.
    »Ja, der bin ich«, erwidert er vorsichtig.
    »Ich komme von der Times-Picayune . Wir haben telefoniert.«
    »Ja, richtig!« Jetzt lächelt er breit; in seinen Augenwinkeln bilden sich Fältchen. »Klar, die Interviewsache!« Er kratzt sich am Kopf, bringt sein dunkles Haar durcheinander. Warmherzig,liebenswürdig, entgegenkommend. Ich verstehe, wie er es schaffen konnte, das Vertrauen eines Kindes zu gewinnen. »Kommen Sie herein«, sagt er und tritt beiseite.
    Die Haustür fällt zu, und ich höre ein Automatikschloss zuschnappen. Er geht voran, die dunkle, enge Treppe hinauf, deren Stufen unter unserem Gewicht knarren. Ich versuche, nicht auf seine Hüften zu starren, die sich genau vor meinen Augen nach oben bewegen. Von der Decke hängt ein staubiger Kronleuchter. Lanusse wirft lange, verzogene Schatten an die Wände.
    Als er die Tür zu seiner Wohnung öffnet, schlägt uns Zigarrengeruch entgegen. Das Mauerwerk der Wände – etwas, worauf Quarter-Bewohner besonders stolz sind – ist nicht verputzt, die Eichendielen glänzen blank gebohnert. An drei der hohen Fenster sind die Rollläden heruntergelassen; rote Samtvorhänge verdecken zusätzlich alle vier und hüllen den Raum in Dunkelheit. Große, goldgerahmte Spiegel reflektieren das Bild dreier dicht zusammenstehender Sofas mit rotem Samtbezug und langen Fransen am unteren Rand. Hier drinnen sieht es aus wie in einem altmodischen Bordell. Über uns schwebt wie eine Jugendstil-Spinne ein schwarzer Kronleuchter mit langen geschwungenen Armen.
    Lanusse weist auf einen schwarzen Esstisch, wo neben

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