Tödliches Abseits (German Edition)
erste und letzte Seite des Handelsblattes , hinter der sich ein Kopf verbarg.
Er trat an den Tisch.
»Guten Abend, Herr Esch«, meinte eine Stimmemit italienischem Akzent und die Zeitung senkte sich.
Rainer sah einem Mann unbestimmbaren Alters ins Gesicht, der die Zeitung zusammengefaltet neben sich auf den Tisch legte.
»Wollen Sie etwas trinken?«
Esch schüttelte gegen jede Gewohnheit den Kopf.
Der Italiener hob andeutungsweise sein Glas in Richtung Barkeeper. »Schade. Der Vernaccia di San Gimignano hier ist für eine einfache Eisdiele wirklich empfehlenswert. Sehr weich, sehr dicht. Der Wein duftet nach Oliven und perlt kribbelnd auf der Zunge.« Er sah Esch fragend an. »Nein? Schade. Ihnen entgeht etwas.« Er nahm das Glas, welches ihm die Bedienung wortlos servierte, entgegen und hielt es gegen das Licht. »Sehen Sie? Diese Farbe! Grüngelb. Einfach herrlich! Übrigens, haben Sie das Geld?« Er schlürfte etwas Wein, kaute genussvoll und fixierte sein Gegenüber aufmerksam.
Rainer dachte fieberhaft nach. Erst über den Vernaccia, dann über die Frage.»Für einen Riesen müssen Sie mir schon etwas mehr erzählen.«
Der Italiener zögerte einen Moment. Dann antwortete er ruhig: »Sie haben Recht. Ich würde auch nicht die Katze im Sack kaufen. Ich war in dem Zug, in dem Ihr Mandant diesen Klaus – stand nicht Klaus K. in der Zeitung? – umgebracht haben soll. Ich habe drei Dortmunder Fans gesehen, die sich, sagen wir, gestritten haben. Einer von ihnen hantierte mit einem Messer. Und dann wird ein Dortmunder in diesem Zug erstochen. Wie oft, meinen Sie, fuchteln Fußballfans mit Messern in einem Eisenbahnwagon herum?« Der Italiener erwartete keine Antwort. »Ich weiß nicht, wer von den dreien das Messer in der Hand hatte. Aber ich habe einen von ihnen einige Tage später zufällig wieder gesehen. Und wie der Zufall so spielt, habe ich hier auch dessen Namen und Adresse.« Vincente Lambredo zückte ein kleines Stück Papier. »Mir fiel dieser Mann auf, weil er sich anders verhielt als die anderen Schläger. Irgendwie gehörte er nicht richtig zu den Hooligans, obwohl er mit diesen den Zug betreten hat. Fragen Sie mich nicht warum, aber dieser Mann hat mir eine Gänsehaut verursacht. Dieser Blick ... Sind Sie interessiert?« Er wedelte mit dem Zettel.
Esch war interessiert. Sehr sogar. Leider fehlte es ihm an Mitteln ...
Der Buchhalter interpretierte Rainers Schweigen richtig. »Sie befinden sich in einem finanziellen Engpass?« Lambredo nickte verstehend. »Das hatte ich fast erwartet. Na gut. Wir wären bereit, Ihnen entgegenzukommen.«
»Wie viel?«
»Sie beleidigen mich.« Er nippte mit demonstrativer Langsamkeit an seinem Weinglas. »Unter Freunden redet man nicht über Geld, capito?«
Das sah Rainer genauso.
»Ich sehe, Sie können sich in die Prinzipien unserer Geschäftsbeziehungen hineinversetzen.«
»Sie geben mir den Namen unentgeltlich?«
»Selbstverständlich.«
Rainer fiel ein Stein vom Herzen. Er streckte die Hand aus, um den Zettel in Empfang zu nehmen.
Der Italiener zog das Papier zurück. »Natürlich erwarten wir von Ihnen als Gegenleistung zukünftig auch die eine oder andere Gefälligkeit.«
Esch schluckte. »Was meinen Sie damit?«
Der Zettel mit dem Namen wanderte lockend in Rainers Richtung. »Rechtlichen Rat. Vielleicht in einigen Fällen Unterstützung bei Vertragsverhandlungen. Sie müssten nur vieles von dem, was Sie hören, schnell wieder vergessen. Vielleicht auch einmal eine Strafverteidigung. Wegen Alkohol am Steuer oder so etwas in der Art. Selbstverständlich werden Sie gemäß Ihrer Gebührenordnung bezahlt.«
In Rainers Kopf machte es Klick. »Sie wollen mich kaufen?«
»Was für eine unfreundliche Formulierung.«
Rainer hatte zwar so seine Schwierigkeiten mit den Rechtsprinzipien, denen er durch Eid verpflichtet war, aber er würde sich nicht prostituieren. Niemals! Und wenn doch, dann nicht für schnöden Mammon. Ehrlicher Zorn kroch in ihm hoch. Er taxierte den vor ihm Sitzenden. Wenn er mit der Linken kräftig in dessen Fresse schlagen würde, könnte er mit seiner Rechten vielleicht den Zettel ...
Rainer erhob sich langsam aus seinem Stuhl.
»Daran sollten Sie nicht einmal denken.« Vincente machte eine angedeutete Kopfbewegung nach rechts. Esch schaute in die angegebene Richtung und erschrak. Neben ihm wuchs unverhofft eine Kreuzung aus Arnold Schwarzenegger und dem Alien in die Höhe und blickte wenig humorvoll auf ihn herab.
»Salvatore
Weitere Kostenlose Bücher