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Tödliches Abseits (German Edition)

Tödliches Abseits (German Edition)

Titel: Tödliches Abseits (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Zweyer
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Kriminalrat Wunder einbringen. Und die Beförderung zum Hauptkommissar ein Stück wahrscheinlicher werden lassen.
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    Spielte Schalke an einem Samstag im Parkstadion – für mittwochs und freitags galten andere Regeln – stand der Fan grundsätzlich um halb neun Uhr auf. Er frühstückte, las die Vorberichterstattung der WAZ , duschte und zog sich an. Aber nicht irgendetwas, sondern die Kleidung, in der der Fan am 16. Juni 1991 das Heimspiel gegen den SV Darmstadt 1898 gesehen hatte, das Schalke mit eins zu null gewonnen hatte, was dem Verein den Wiederaufstieg aus der zweiten Bundesliga in die höchste deutsche Spielklasse ermöglicht hatte. Es war ihm in der Winterhälfte der Saison allenfalls gestattet, zusätzlich eine gefütterte Jacke über den Pullover zu ziehen. Diese Bekleidung wurde nur für Heimspiele benutzt, ansonsten blieb sie im Schrank.
    Dann packte der Fan seinen Rucksack. Er besaß einen kleinen, sehr leichten Rucksack aus schwarzem Segeltuch. Der wurde gefüllt mit einem Vereinswimpel mit den Unterschriften von Charly Neumann und Günther Siebert, die diese vor Jahren bei einem Besuch in ihrem Fanklub jedem Mitglied übergeben hatten, einer im Durchmesser etwa zehn Zentimeter großen Plastiknachbildung der Meisterschaftsschale, einer Dose für Kleinbildnegative, gefüllt mit Erde der Glückaufkampfbahn, und, als ganz besonderer Fetisch, einer kompletten Sportgarnitur des jeweiligen gegnerischen Vereines, bestehend aus Stutzen, Hose und Trikot.
    Im Laufe der Jahre hatte der Fan sich diese Utensilien zusammengekauft oder anderen Fans gestohlen. Bevor er den Trikotsatz jedoch ordentlich zusammengefaltet in den Rucksack packte, wurde er auf seinem Wohnzimmerteppich ausgebreitet. Zuerst das Trikot nach oben, dann die Hose und, abgehend von jedem Hosenbein, die Stutzen. Anschließend zog der Fan seine Schuhe aus, legte das Schalker Vereinslied auf und marschierte zu den Klängen von ›Blau-Weiß, wie lieb ich dich!‹ – quasi stellvertretend für alle Schalker Spieler – über den am Boden liegenden Gegner. Besiegt! Der Gegner war besiegt! Schon vor dem Spiel!
    Gegen elf verließ der Fan seine Wohnung. Er ging die fast sieben Kilometer immer zu Fuß. Immer. Egal bei welchem Wetter. Er passierte den Ruhr-Zoo und machte einen Umweg über die Cranger Straße. Dort blieb er vor dem Haus, in dem er als Kind mit seinen Geschwistern und Eltern gewohnt hatte, dort, wo sein Bruder gestorben war, stehen. Er hatte dafür keinen speziellen Grund, dachte dabei auch kaum an seine Verwandten. Er machte das nur einfach immer.
    Hinter der Autobahnbrücke wartete auf der rechten Straßenseite eine Imbissbude auf Kunden. Dort aß der Fan schweigend eine Bratwurst. Und lief dann weiter zum Parkstadion, das er immer zur gleichen Zeit erreichte. Der Fan wartete vor dem Eingang für die Dauerkartenbesitzer, betrat als einer der ersten Zuschauer das Stadion und machte sich auf zu seinem Platz in der Nordkurve am Rande des Fanblockes. Dort wartete er geduldig auf den Anpfiff.
    Und wenn sich alle anderen zigtausend Zuschauer ebenfalls an ihre Regeln hielten, konnte Schalke an so einem Tag einen großartigen Sieg verbuchen.
    31
    Der Buschfunk hatte die Neuigkeit schon vor der Sitzung der Soko verbreitet: Kommissar Uwe Pauly hatte einen Zeugen gefunden, der Michael Droppe als den Käufer der Tatwaffe wieder erkannt hatte. Und so stand Pauly mit dem Das-war-doch-keine-große-Sache-das-hätte-doch-jeder-von-uns-herausbekommen-Gesicht im Kreis seiner Kollegen im Sitzungszimmer und erzählte nun schon zum zweiten Mal mit zunehmend unverhohlenerem Stolz, wie er den Verkäufer Rüders mit untrüglichem kriminalistischen Instinkt zu seiner Aussage bewegt hatte.
    Um kurz vor sieben am Montagabend waren alle Mitglieder der Soko, mit Ausnahme der Kommissare Baumann und Krawatzki, im Sitzungsraum versammelt. Hauptkommissar Brischinsky, der mit einer groß gewachsenen Schwarzhaarigen das Zimmer betrat, wurde Zeuge, wie Uwe Pauly einen erneuten Anlauf unternahm, um auch dem Letzten der Kollegen seine Erfolgsstory vorzutragen.
    Brischinsky stellte sich schweigend und leicht amüsiert neben seinen Platz, wartete einen Moment, räusperte sich dann und sagte: »Wenn Kollege Pauly fertig ist, können wir ja anfangen.«
    Pauly stammelte ein hastiges »Entschuldigung« und ging zu seinem Stuhl.
    »Danke. Baumann und Krawatzki kommen später. Ich möchte Ihnen zunächst Frau Doktor Elisabeth Großkopf- ... äh ... äh ...«
    »Schmittdellen«,

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