Tödliches Abseits (German Edition)
mal! Wir haben es nicht so eilig. Toter als tot geht nicht. Und ich möchte dem armen Kerl am Ewaldsee im Jenseits nicht unbedingt Gesellschaft leisten.«
Zehn Minuten später stoppte Baumann den Wagen schräg gegenüber der Autobahnabfahrt Herten. Einige Streifenwagen mit Blaulicht waren bereits eingetroffen. Brischinsky ging zu den Uniformierten, die an der Straße standen, hielt seinen Dienstausweis hoch und fragte: »Wo ist die Leiche?«
»Etwa zwei Kilometer in südlicher Richtung«, antwortete einer der Polizisten.
»Habe ich mich verhört oder sagten Sie zwei Kilometer?«
»Richtig, Herr Hauptkommissar. Zwei Kilometer.«
»Kann man da nicht ranfahren?«
»Leider nein. Der Fundort der Leiche ist mitten im Wald. Da gibt es nur Trampelpfade.«
»Na toll! Spurensicherung? Notarzt?«
»Der Arzt ist schon da. Die Spurensicherung auch.«
»Wer zeigt uns den Weg?«
»Das kann ich machen«, antwortete der junge Streifenpolizist.
»Dann mal los.«
Nach einem zwanzigminütigen Fußmarsch erreichte die Gruppe den Fundort der Leiche. Der Tote trug Turnschuhe, Jeans, eine Regenjacke und darunter ein Trikot des Hamburger Sportvereines. Unter der Leiche und in der näheren Umgebung des Fundortes steckten im Boden sechs, sieben kleine weiße Schilder, die mit Zahlen beschriftet waren.
Brischinsky näherte sich dem Erhängten, sah nach oben und fragte in die Runde: »Fotos gemacht?« Ohne eine Antwort abzuwarten, zeigte der Hauptkommissar auf die Schilder und ergänzte: »Alles gesichert?«
Einer der Umstehenden bejahte. »Wir haben nur auf Sie gewartet.«
»Gut. Dann holt ihn da runter.«
Zwei Mitarbeiter der Gerichtsmedizin schleppten eine Leiter herbei und stellten sie neben dem HSV-Fan auf. Brischinsky dachte darüber nach, wie die Jungs so schnell an eine Leiter gekommen waren, als ihn Baumann störte: »Da hinten steht der Mann, der den Toten gefunden hat. Sollen wir ihn jetzt oder später ...?«
»Später. Oder warte, kümmere du dich allein um den.«
Baumann schob ab.
Der Hauptkommissar musterte die Leiche. Der Mann war etwa Mitte zwanzig, zwischen einssiebzig und einsachtzig groß, trug dunkles, mittellanges Haar und hatte eindeutig etwas zu viel Fett auf den Rippen. Seine Jeans war im Schritt und an den Oberschenkeln dunkel verfärbt, vermutlich eine Folge der unkontrollierten Darmentleerung im Todeskampf.
Der Hals erschien dem Hauptkommissar seltsam gedehnt. Das Kinn war seitlich rechts auf die Brust gesunken. Die Augen waren weit aufgerissen und im geöffneten Mund war deutlich die geschwollene Zungenspitze zu erkennen. Aus den Nasenlöchern war eine braunrote Masse ausgetreten, die mittlerweile getrocknet war und dem Toten ein wenig das Aussehen eines Indianers mit Kriegsbemalung verlieh. Beide Arme hingen schlaff an den Körperseiten herunter.
Die medizinischen Experten der Polizei durchschnitten das Seil, legten die Leiche auf einer Kunststoffplane ab und begannen mit ihrer Untersuchung.
»Wann bekomme ich erste Ergebnisse?«, löcherte Brischinsky den Arzt. »Und bitte nicht wieder: Genaueres kann erst die Obduktion ergeben. Das weiß ich selbst.«
»Schön für Sie«, antwortete der Mediziner und begann seine Untersuchung. »Sagen wir, in ... einer Viertelstunde.«
»Danke.«
»Keine Ursache. Ist mir ein Vergnügen.«
Der Hauptkommissar wusste nicht genau, ob der Arzt ihn auf den Arm nehmen wollte. Aber er ließ die Frage auf sich beruhen und wandte sich an den ihm gut bekannten Einsatzleiter der Spurensicherung: »Habt ihr schon was?«
»Wenig.«
»Lass hören.«
»Wir haben hier recht gut erhaltene Fußspuren gefunden, die vom Toten stammen könnten. Um das aber genau sagen zu können, müssen wir die Gipsabdrücke mit seinen Schuhsohlen vergleichen. Es sieht aber so aus, als ob hier nur der Tote selbst herumspaziert wäre.«
»Und der Zeuge?«
»Hat sich der Leiche nicht genähert.«
Der Polizist zeigte auf Schleifspuren am Stamm des Baumes, an dem die Leiche gehangen hatte. »Sieh dir die Spitzen der Turnschuhe an, die der Mann trägt. Und die Jeans in der Höhe der Knie. Grüner Abrieb. Stammt wahrscheinlich vom Moos am Stamm. Werden wir im Labor feststellen. Wenn das stimmt, dann ist der Mann den Baum selbst hochgeklettert.«
»Also Selbstmord?«
»Sieht ganz so aus. Guck hier, direkt am Baumstamm. Vier Kippen Filterzigaretten. West. Alle nur halb geraucht, aber alle Zigarettenreste liegen auf einer Fläche von vielleicht zehn mal zehn Zentimetern. Und direkt daneben
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