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Toedliches Erbe

Toedliches Erbe

Titel: Toedliches Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Cross
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Hörer wieder auf die Gabel, und sofort läutete es.
    Max war am Apparat.
    »Na endlich. Ich dachte schon, Sie wären gerade dabei, zusammen mit dem Präsidenten höchstpersönlich die Universität zu reor-ganisieren.«
    »Nicht sonderlich wahrscheinlich. Obwohl ich zugebe, wenn er mich darum bäte, könnte ich ihm tagelang Vorschläge machen. Wie geht es Ihnen, Max?«
    »Gut, außer daß ich, nachdem das Gerangel mit Cecilys Familie um ihre Papiere sich schließlich erledigt hat, mich jetzt offenbar mit einer Krise um einen Sohn von Ricardo herumschlagen muß. Hat mit einem Betrug zu tun beziehungsweise mit entsprechenden Anschul-digungen. Erinnere ich mich richtig, haben Sie bei dem netten Lunch im Cos Club erwähnt, ihr Neffe und der Ricardo-Junge seien Kumpel? Oder sagt man Spezi? Daß Freunde das richtige Wort wäre, wagt man ja kaum zu hoffen.«
    »Ganz und gar nicht. Feinde wäre wahrscheinlich der treffendere Ausdruck.« Kate erinnerte sich nicht, Max jemals so aufgekratzt erlebt zu haben, und sie stellte fest, daß ihr das nicht gefiel.
    »Oje, oje. Wissen Sie, worum es bei der ganzen Sache geht? Ich fürchte, Ricardos Version ist ein bißchen verschwommen.«
    »Ricardo hat jemanden dazu überredet, den Aufnahmetest für ihn zu schreiben«, sagte Kate. »Jetzt fällt mir ein, Sie waren überrascht, daß er es nach Harvard geschafft hat.«
    »Aber das ist doch ganz unmöglich. Werden denn solche Examina nicht beaufsichtigt?«
    »Nur völlig unzureichend. Nebenbei bemerkt« – plötzlich dachte Kate aus naheliegenden Gründen an mitgeschnittene Telefongesprä-
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    che – »ich sollte besser sagen, daß angeblich – ich glaube, das ist der korrekte Terminus – jemand anders für ihn das Examen gemacht hat.«
    Max war offensichtlich erschüttert. »Es fällt mir schwer zu glauben, daß jemand so etwas tun kann. Aber heutzutage…« Seine Stimme verlor sich.
    »Wollten Sie etwas Bestimmtes von mir?« fragte Kate, wie sie hoffte, nicht allzu abrupt. Sie war bereits fünf Minuten zu spät für die Ausschußsitzung.
    »Nur, daß Sie, wie immer, meine Hand halten. Ich scheine in jeder Krise an Ihre Barmherzigkeit zu appellieren. Jedenfalls dann, wenn die Krisen mit den Ricardos zu tun haben. Die Familie, also Cecilys Kinder meinen, ich soll etwas unternehmen, weil ich das habe, was sie akademische Beziehungen zu nennen belieben.«
    »Was könnten Sie tun?«
    »Offensichtlich nichts. Eine höchst problematische Angelegenheit. Der Junge leugnet natürlich alles. Sie werden es mich wissen lassen, wenn Sie mehr erfahren, nicht wahr? Nachdem ich mit diesen Leuten gerade zurechtgekommen bin, habe ich keinerlei Lust, sofort in den nächsten Schlamassel zu geraten, vor allem in keinen, an dem ich nichts ändern kann.«
    »Es ist nur ein Zeichen der Zeit«, sagte Kate. »Jeder schwindelt heutzutage. Wann gab es früher Agenturen, die einem die Arbeiten schrieben? Man kann ja nicht einmal mehr sicher sein, ob die Magisterarbeit, die ein Student vorlegt, von ihm selbst ist.«
    »Mich kann man nicht hereinlegen. Es liegt nur an einem Mangel an Disziplin, an Studentenunruhen, am Verlust aller Werte.«
    Genauso hätte es Nixon auch ausgedrückt, dachte Kate. »Ich muß jetzt weg, Max. In ein paar Tagen fahre ich nach England, aber ich melde mich, sobald ich wieder zurück bin.«
    »Gott sei Dank haben Sie jetzt nicht gesagt, daß Sie mich dann
    ›kontakten‹. Ich freue mich auf Ihre Rückkehr, Kate. Auf Wieder-sehn.«
    Bestimmt hat Nixon immer »kontakten« gesagt, dachte Kate, während sie den Gang hinunter zu ihrer Sitzung wanderte. Und dieses Wissen erleichterte sie aus unerfindlichen Gründen sehr.
    »Haben die Menschen eigentlich immer geglaubt, daß ihre Welt untergehen wird?« fragte Kate, als sie sich abends auf der Couch im Wohnzimmer ausgestreckt hatte. Reed saß am Klavier und entlockte ihm auf eine beiläufige, nervenschonende Art Melodien der zwanzi-90

    ger Jahre.
    »Ganz bestimmt«, antwortete er. »Man hat sich nur schwülstiger ausgedrückt. Denke nur an Euripides und die trojanischen Frauen.
    Zudem nähern wir uns dem Ende des Jahrhunderts. Fin de siècle und so weiter.«
    »›Fin de globe‹, hat Wilde gesagt.«
    »So weit haben wir es also gebracht.«
    »Ich erinnere mich«, sagte Kate, »daß Clarence Day, oder vielleicht war es auch J. P. Marquand, beschrieb, wie sein Vater einmal aus dem Haus trat und auf den Eingangsstufen dem Nachbarn in Hemdsärmeln begegnete. Sofort folgerte er, seine

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