Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
zufriedenzustellen, und sie glaubte, ein geschickt zusammengestelltes Krankenblatt der Patientin samt anderergefälschter Daten würden Al Luczynski wie auch Toni im Dunkeln lassen und die Chirurgin davon überzeugen, dass ihre ursprüngliche Besorgnis um die „einigermaßen gute Verfassung“ der Patientin alles in allem unbegründet sei.
Katherine hatte von dem Unfall des Mädchens und ihrer weiteren Krankengeschichte durch ein Entgegenkommen von HEAD erfahren – das englische Wort für „Kopf“ stimmte zufällig mit dem Akronym für „Hospital Emergency Assistance Data“, Krankenhausnotfalldaten, überein. Ein Computernetz, an das der Capitol Krankenhausbereich angeschlossen war, war lange Zeit die Hauptquelle für ihre EGs gewesen.
Sie hatte mit Schwierigkeiten gerechnet, die junge Frau auf den Operationstisch von Borg-Harrison zu bekommen, aber in Wirklichkeit war es ziemlich einfach gewesen. In großen städtischen Krankenhäusern kann ein Patient abhanden kommen und als tot registriert werden, ohne dass es besonders auffällt. Altgediente Schwestern in den Intensivstationen wachen über die große Anzahl der Sterbenden und interessieren sich kaum für jemanden, der sich nicht mehr in ihrer Obhut befindet. Für Operationsschwestern wiederum ist der Patient anonym, und überarbeitete Anstaltsärzte sind leicht von der Notwendigkeit zu überzeugen, ein schwieriger Fall sei in eine Spezialklinik zu überweisen. Deshalb bestand das Hauptproblem darin, offizielle Informationen auszuschalten oder zu verfälschen. Dies ließ sich denkbar einfach bewerkstelligen, indem man mit Zugriffscodes die Computeraufzeichnungen manipulierte.
Nun war die Patientin bereit. Toni setzte den ersten Hautschnitt am Hals, genau über dem Schlüsselbein, wo zuvor eine rote Linie gezogen worden war, als sich die Patientin noch in der präoperativen Phase befand. Danachführte sie ihr Skalpell durch die Zervikalfaszien an der Oberfläche hinein in das Platysma. Innerhalb von Minuten durchtrennten sie und Michael den Sternocleidomastoideus und weitere Muskeln wie den Sternohyoideus und den Omohyoideus.
Michael war todmüde und nahm gar nicht wahr, was er tat. Noch immer gingen ihm die überstürzten Ereignisse der vergangenen achtundvierzig Stunden und die Auseinandersetzung mit Susan durch den Kopf. Von dem Augenblick an, in dem Katherines Anruf das Wochenende zunichte gemacht hatte, das sorgsam geplant gewesen war, bedauerte er, dass er sich vor fünf Jahren mit seinem Forschungsprojekt an Burnleigh und Borg-Harrison gewandt hatte. Hätte er das Projekt an irgendeinem unbedeutenden Provinzkrankenhaus fortgesetzt und wäre allmählich zu Geld gekommen und hätte seine technische Ausrüstung verbessert, so hätte er wohl, so dachte er, den gleichen Erfolg erzielt.
Er führte sein Skalpell mechanisch durch einen letzten Abschnitt eines Omohyoideus und hörte, wie Toni Klemmen verlangte, um die Blutungen zu stoppen. Sobald die Carotis und die inneren Jugulararterien freigelegt wären, würden sie sie an das Sauerstoffgerät der Konsole anschließen, die das Leben des abgetrennten Kopfes aufrechterhielt. Die Herz-Lungen-Maschine würde sofort die Funktion der Körperorgane der Patientin übernehmen, sobald diese stillgelegt waren. Gleichzeitig würde ein Dialyseapparat in der Konsole die Nierentätigkeit ersetzen und eine Nahrungspumpe die Blutbahnen im Kopf versorgen. Um ein elektronisch unterstütztes Sprechen zu ermöglichen, würde schließlich eine speziell konstruierte Pumpe in Aktion treten, die dem Kehlkopf, der jetzt in den Ösophagusstumpf eingesetzt wurde, Druckluft zuführen sollte.
Michaels Gedanken schweiften neuerlich ab. Nachdem Katherine ihn Samstagnacht auf dem Boot erreicht hatte, waren Charley Phelps und er an Land zurückgekehrt und hatten den Rasen vor dem Haus mit den Scheinwerfern mehrerer Autos beleuchtet. Zwanzig Minuten später hörten sie die Rotorblätter des Hubschraubers und kaum hatten sie die grünen und roten Positionsleuchten ausgemacht, stieß der Helikopter schon rasch herab wie ein riesiger unheilbringender Nachtvogel.
Die Rückkehr nach Washington, zum Hauptsitz von Borg-Harrison in der Massachusetts Avenue, hatte er nur undeutlich wahrgenommen, in banger Erwartung, bis das Dunkel der St.-James-Bucht plötzlich aufriss und sich unter ihnen das funkelnde Netz der Hauptstadt ausbreitete.
Es war nicht so sehr Burnleighs Zorn, der Michael beunruhigte; den hatte er schon bei anderen Gelegenheiten
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