Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
weiter diesen seltsamen Verdacht gehegt hätte, den sie nicht erklären konnte. Das tiefe Gefühl, dass er ihr gegenüber noch immer nicht ganz offen war. Während sie ihn begehrt hatte, hatte sie sich gleichzeitig unbehaglich gefühlt, so, als hätte sie irgendwie Angst vor ihm und wäre in Gefahr.
Nichts an seinem Verhalten auf dem Friedhof hätte ihr den Grund ihrer Angst erklären können. Michael war ganz der Alte, der Mann, dem sie sich hingegeben hatte und den sie noch immer begehrte. Und doch war er es nicht. Er war anders.
Doch auf der Heimfahrt von Philadelphia hatte sie es plötzlich verstanden. Jetzt sagte sie: „Ich glaube, wir haben beide viel durchgemacht.“ Sie stieg aus und betrat das Haus, ohne sich umzudrehen.
Oben in ihrer Wohnung fühlte sie sich plötzlich erschöpft. Sie holte sich etwas zu trinken und erinnerte sich dann, dass sie seit dem Mittagessen des vorigen Tages nichts gegessen hatte. Sie musste sich dazu zwingen, ein belegtes Brot zu essen. Ihre ganze Welt war zerstört. Während sie das Brot aß, sah sie in der Zeitung nach, welche Filme in den Kinos der Stadt liefen. Sie entdeckte einen, den sie schon seit einiger Zeit hatte sehen wollen, und beschloss auszugehen.
Das gehörte zu der Rolle, die zu spielen sie sich entschlossenhatte. Sie wollte vortäuschen, dass sie alles akzeptiert hatte. John, das EG Projekt, die Tatsache, dass Michael es ihr verheimlicht hatte. Sie musste alle davon überzeugen, dass sie eine vertrauenswürdige und diensteifrige Kollegin war. Sie würde so tun, als wüsste sie nicht, dass Michael sie noch immer belog. Denn das tat er.
Auf der Heimfahrt von Philadelphia hatte sie wieder über Katherine nachgedacht. Nichts, was Michael gesagt oder getan hatte, nicht einmal der unterschriebene Organspendervertrag, konnte die Erinnerung an Katherines Gesichtsausdruck auslöschen und an ihr eigenes Gefühl, dass Katherine log. Sie hatte plötzlich verstanden, dass dann auch Michael lügen musste, und wohl deswegen spürte sie auch, dass er ihr gegenüber nicht ehrlich war.
Als er wegen des Organspendervertrages und Johns Unterschrift zornig geworden war, hätte sie sich beinahe überzeugen lassen. Es wirkte so natürlich. Aber es hatte nicht funktioniert. Während der gesamten Heimfahrt hatte sich bei ihr das Gefühl verstärkt, dass ihr Gefahr drohte. War es nicht auch etwas seltsam, dass sowohl Katherine als auch Michael so schnell zu ihr gekommen waren? Vielleicht wollten sie sich nicht bloß dafür rechtfertigen, dass sie John zu einem EG gemacht hatten. Vielleicht wollten sie auch sehen, inwieweit sie, Susan, eine Bedrohung darstellen würde.
Wenn sie unrecht hatte, so würde sie Michael trotz ihrer Gefühle für ihn, trotz der Anziehung, die er vielleicht noch auf sie ausübte, nicht vertrauen, bis die Zeit und der Gang der Ereignisse ihre Vermutung widerlegten.
Ihr eigenes Leben war eine Sache. John Flemmings Leben war etwas anderes. Er war hilflos und musste um jeden Preis beschützt werden.
18
Montagmorgen. Die Operation begann pünktlich um acht Uhr.
Das Chirurgenteam bestand aus Michael, Toni Soong und Al Luczynski sowie zwei Operationsschwestern, einer Hilfsschwester und einem medizinisch-technischen Assistenten zur Überwachung der Herz-Lungen-Maschine. Drei Stunden zuvor war der Schädel der Patientin rasiert und gewaschen worden. Zur Vorbereitung hatte man ihr Pentothal verabreicht, dann war sie mit Halothan und Lachgas narkotisiert und das Gehirn durch ein Barbiturat ruhiggestellt worden.
Sie war jung, erst zweiundzwanzig, und Mitglied des Schwimmerteams des Colleges gewesen. Drei Wochen zuvor hatte sie einen Kopfsprung falsch berechnet, war auf dem Sprungbrett aufgeprallt und hatte sich das Genick gebrochen. Als Katherine zum ersten Mal von dem Mädchen hörte, litt sie an einer partiellen Lungenlähmung; sie war nach einer Tracheotomie an ein Atemgerät angeschlossen worden. Sie war ein Grenzfall, ihre Überlebenschancen standen wenig besser als fünfzig zu fünfzig. Mit Ausnahme von John Flemming und Claire – und für Katherine zählte die Krankenschwester Claire nicht wirklich, da hatte es schließlich und endlich mildernde Umstände gegeben – war die junge Turmspringerin die erste Nicht-Freiwillige.
Katherine war ziemlich sicher, dass niemand im Chirurgenteam davon wusste. Eine gefälschte „freiwillige“ Unterschrift, die sie in einer angeblichen Unterredung während Michaels Abwesenheit erhalten hatte, schien ihn
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