Tödliches Farbenspiel
Tür.
»Ich wollte nicht sagen, daß ich Sie
vergessen habe. Nur unsere Verabredung war mir entfallen. Und jetzt hab ich keine
Zeit mehr.«
Ich sah auf meine Uhr. Es war erst elf.
»Wieso, es ist doch noch vor Mittag.«
Er antwortete mit einer fahrigen
Handbewegung. »Draußen auf der Ausstellung hat’s Probleme gegeben. Einer der
Stützbalken ist gebrochen und hat mehrere Lampen zerschmettert. Die muß ich
auswechseln.«
»So ein Pech. Waren sie wertvoll?«
»Wenn man die Zeit berechnet, die ich
hineingesteckt hatte, sehr. Jede Lampe ist handgemacht. Ich bin nicht so ein
Fließbandhersteller wie Victoriana, wissen Sie. Bei mir ist das eine Kunst, ich
mache jedes Detail mit Liebe. Ich verkaufe ein paar Lampen im Monat und wohne
über meiner Werkstatt, ein frugales Leben.« Er nahm den Zylinder ab und strich
sich glättend über das rote Haar, rückte den roten Federbusch zurecht. »Sie
werden verstehen, daß ich etwas aus dem Häuschen bin. Und daß ich unsere
Verabredung platzen lassen muß.«
Ich nickte enttäuscht. »Können wir uns
ein andermal treffen?«
»Aber sicher.« Er fuhr mit der rechten
Hand in die Tasche seines Fracks und zog eine Karte heraus. »Rufen Sie mich an.
Wenn die Ausstellung vorbei ist, stehe ich jederzeit zu Ihrer Verfügung.« Er
knallte die Tür des Lieferwagens zu, lief nach vom zum Steuer und brauste
gleich darauf in einer Wolke von Auspuffgasen davon.
Automatisch notierte ich mir das
Kennzeichen des Wagens auf der Karte. Seine Bekümmerung und seine Aufgeregtheit
hatten echt gewirkt; dennoch traute ich Prinz Albert nicht. Und nun? Vor der
Häuserbesichtigung mit Eleanor van Dyne hatte ich noch eine Menge Zeit. Pro Te
und Hank Zahn erschienen mir als die beste Alternative. Ich rumpelte in meinem
MG durch die enge Straße und fuhr dann in Richtung Bemal Heights.
Die große braune viktorianische Villa —
italienisiert, wie ich jetzt wußte — stand in einer leicht ansteigenden Straße,
gegenüber einer kleinen, dreieckigen Parkanlage. Ich klemmte den MG zwischen
zwei Autos, die verbotswidrig über die Straßenecke hinausragten, und verlieh
ihnen das Aussehen der Rechtmäßigkeit. Ich wußte, daß Hank da sein würde, auch
wenn Sonntag war. Er und mehrere andere Anwälte der Kooperative wohnten
kostenlos in den oberen Räumen des alten Hauses. Das war eine Art Entschädigung
für die erbarmungswürdig niedrigen Gehälter, die die Kooperative zahlte.
Ganz hinten im Erdgeschoß war eine
große Küche im Stil der fünfziger Jahre. Zwei Anwälte saßen an dem runden Tisch
vor dem Fenster und frühstückten in Gesellschaft der Sonntagszeitung.
Als ich nach Hank fragte, brummte einer
von ihnen: »In der Fachbibliothek.«
Im Gegensatz zu Wintringhams
viktorianischen Häusern waren die Räume dieser Villa aufgeteilt und unterteilt
worden, bis vom klassischen Grundriß nichts mehr zu erkennen war. Mein eigenes
Büro war kaum größer als eine Zelle. Ich ging wieder in den Flur hinaus und
nahm Kurs auf die Bibliothek.
Hank saß am Tisch neben einem Schild
mit der Aufschrift, »Bitte Bücher wieder auf die Regale stellen«. Ein Stapel
von Kommentaren und Sammlungen von Gerichtsentscheidungen auf dem Tisch zeigte,
welch durchschlagende Wirkung die Aufforderung hatte.
Hank blickte auf, als ich eintrat. Die
Augen hinter den dicken Gläsern der Hornbrille waren müde.
Ich setzte mich ihm gegenüber an den
Tisch.
»Wie geht’s?«
»Einigermaßen.«
»Nur einigermaßen?«
»Bisher war das Wochenende hart.«
Mir fiel ein, daß er mit Jakes Frau
hatte sprechen müssen. »Wie war es bei Mrs. Kauffmann?«
»Nicht allzu schlimm, wenn man
bedenkt...« Er nahm die Brille ab und putzte die Gläser mit einem Zipfel seines
karierten Flanellhemds. »Sie ist eine tapfere und mutige Frau.«
»Das gleiche sagte einer von Jakes
Angestellten. Wie ich höre, will sie das Geschäft weiterführen.«
Hank setzte die Brille wieder auf.
»Darüber haben wir nicht gesprochen. Wenn es so ist, wird sie vermutlich meine
Hilfe brauchen.«
»Hank«, sagte ich und beugte mich mit
gefalteten Händen über den Tisch, »ich wollte dir sagen, daß wir einen neuen
Auftraggeber haben.«
»David Wintringham, den Eigentümer des
Hauses, wo du Jake gefunden hast. Er rief mich an und sagte mir, daß du seinen
Antrag mitbringen würdest. Und daß du zugesagt hast, in seinem Auftrag Nachforschungen
anzustellen. Nett von dir, daß du mir auch Bescheid sagst.«
Ich sah ihm ins Gesicht, um
festzustellen, ob er ernstlich
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