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Tödliches Farbenspiel

Tödliches Farbenspiel

Titel: Tödliches Farbenspiel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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verärgert war. Normalerweise konnte man sich
kaum einen umgänglicheren Menschen als Hank vorstellen. Nach einigen Sekunden
kam ich zu dem Schluß, daß er die letzte Bemerkung nur probehalber gemacht
hatte.
    »Ich wollte dich am heiligen Sabbat
nicht belästigen«, sagte ich.
    »Natürlich.« Er klappte den dicken
Wälzer zu, den er vor sich liegen hatte. Hank arbeitete rund um die Uhr, ob Wochentag
oder Feiertag. »Also, was hast du rausgekriegt?«
    Rasch skizzierte ich die Ereignisse der
vergangenen vierundzwanzig Stunden. Nur die rein privaten Einzelheiten meines
Besuchs bei Greg ließ ich aus. Hank hörte nachdenklich zu, während er mit dem Zeigefinger
leicht auf die Tischkante trommelte.
    »Nick Dettman«, sagte er, als ich
fertig war.
    »Er läßt dich grüßen.«
    »So.«
    »Außerdem sollte ich Wintringham eine
Drohung von ihm ausrichten, was ich nicht tat. Mir selber hat er auch gedroht,
aber ich hab mich nicht einschüchtern lassen.«
    Hank riß die Augen auf. »Tatsächlich,
er hat gedroht?«
    »Ja. Was weißt du über ihn?«
    »Er war vor ungefähr fünf, sechs Jahren
mal zwei Amtsperioden lang im Stadtrat.« Hank kratzte sich am Kopf. »Er war
nicht gut. Im Grund ist er nicht fähig, die Interessen der schwarzen Gemeinde
zu vertreten, die ihn gewählt hatte.«
    »Wieso nicht?«
    »Er ist Mittelklasse. Außen schwarz und
innen weiß, würden manche Leute sagen. Bei der Wahl machte er große Worte, aber
es blieb bei den großen Worten. Der Bursche versteht seine eigenen Leute nicht.
In fast jeder Frage nahm er gegen sie Partei.«
    »Und wurde darum nicht wiedergewählt.«
    »Richtig, obwohl er’s weiß Gott
versuchte.«
    »Und jetzt?«
    »Etwas Macht konnte er sich zunächst
als Rechtsberater der Gemeinde noch bewahren, aber jetzt, wo die Mittelklasse
sich in dem Viertel breitmacht — und die Junkies dazu — , ist Dettmans Stern im
Sinken. Wenn du den Grund wissen willst, warum er dir und Wintringham drohte,
würde ich sagen, daß es sich hier um die Reaktion eines Verzweifelten handelt.«
    »Ist Macht für ihn denn so wichtig?«
    »Er ist abhängig von ihr«, antwortete
Hank nickend. »Wie ein Junkie. Ohne Macht ist Nick Dettman nur einer von vielen
kleinen schwarzen Ghettoanwälten.«
    »Dann würdest du die Drohungen als
nicht ernst nehmen?«
    »Das habe ich nicht gesagt. Dettman mag
im Grund seines Herzens ein weißer Mittelklassemann sein, aber er lebt auch
seit langem in der Haight Street und hat Kontakte zu einigen gefährlichen
Leuten. Sei lieber vorsichtig, Shar. Ganz im Ernst.«
    Sein Ton war so besorgt, daß ich eine
Gänsehaut bekam. »Keine Sorge, ich paß schon auf.« Es war zwölf Uhr vorbei;
Zeit, etwas zu essen und mich für den Besichtigungsrundgang mit Eleanor van
Dyne umzuziehen. Ich stand auf. »Übrigens, Shar.« Hanks Ton war von einer
künstlichen Beiläufigkeit. »Du hast gar nicht fertigerzählt.«
    Ich wußte sofort, was kommen würde.
»Doch, doch.«
    »Nein.« In seinen Augen blitzte es.
»Wie war’s mit Greg?«
    »Ich hab dir doch gesagt, es ist ihm
nicht recht, daß ich mich in den Fall eingeschaltet habe, aber er konnte nicht —«
    »Du weißt genau, was ich meine.« Hank
hatte Greg und mich miteinander bekannt gemacht und interessierte sich, wie ich
fand, auf unnatürliche Weise für die Entwicklung unserer Beziehung.
    Ich drückte mich zur Tür hinaus. »Er
hat mir gesagt, was die Obduktion ergeben hat und —«
    »Mensch, Sharon!«
    Endlich war ich im Flur. Erleichtert.
»Bis später.«
    Hank rief mir nach: »Andere Frauen
haben erzählt, daß er große Klasse ist.«
    Mit wütendem Gesicht fuhr ich herum. Da
war es wieder: andere Frauen.
    Hank ließ nicht locker. »Stimmt das?«
    Verärgert über meine Eifersucht, rief
ich heftig: »Ja. Und wenn du’s genau wissen willst, dann frag ihn doch mal, was
für große Klasse ich erst bin.« In tödlicher Verlegenheit schlug ich mir die
Hand auf den Mund und rannte, von Hanks Gelächter gefolgt, durch den Flur
davon.
     
     
     

13
     
    Rosetten. Säulen. Kranzgesimse und
Gurtgesimse, Kreuzgewölbe, Ziergiebel, Kreuzblumen.
    Mir taten die Füße weh, und mein Kopf
brummte von kunstgeschichtlichen Details und architektonischen Informationen,
die mir im Lauf dieses Nachmittags eingebleut worden waren. Ich wußte jetzt,
daß das normale Baugrundstück in San Francisco fünfundzwanzig mal einhundert
Fuß maß, daß die meisten viktorianischen Häuser den gleichen schmalen, in die
Länge gehenden Grundriß hatten; daß sie

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