Toedliches Geheimnis
eigentlich nicht länger als eine Stunde oder so dauern. Bist du noch da, wenn ich zurückkomme, Camelia?« Eine Strähne seiner welligen dunklen Haare fällt ihm in die Augen, was Kimmie völlig dahinschmelzen lässt. »Ich dachte, wir könnten vielleicht noch über ein paar Sachen reden.«
»Reden ist zu wenig«, unterbricht Kimmie. »Hast du nichts vorzuzeigen?«
»Du meinst, etwas, woran ich gerade arbeite?«, fragt Spencer.
»Für den Anfang.«
»Na ja, ich fange gerade an, eine lebensgroße Ballerina in Bronze zu modellieren.«
»Brauchst du noch ein Modell?« Sie stellt sich auf die Zehenspitzen. »Ich könnte meine Stilettos anziehen.«
»Ich werd’s mir merken«, sagt er und wendet sich wieder mir zu. »Also, was ist, sehen wir uns später noch?«
»Ich weiß nicht«, sage ich und schaue auf seine Hand, die noch immer auf meiner Schulter liegt. »Ich hab irgendwie noch eine Menge Hausaufgaben.«
»Am Freitag?«, fragt Kimmie.
»Na, dann vielleicht ein andermal«, sagt er und erinnert mich daran, abzuschließen, wenn ich hier fertig bin.
Sobald er fort ist, haut Kimmie mir mit einem Schwamm auf den Kopf. »Echt, was hast du eigentlich für ein Problem?«
»Du hast ein Problem. Lass mich doch einfach in Ruhe?«
»Der kann dich ja wohl nicht in Ruhe lassen«, korrigiert sie mich.
»Ach Quatsch«, sage ich. »Spencer ist einfach so... er ist einfach nur nett.«
»Ja genau, netter Chef plus offene Einladung, nach der Arbeit noch ein bisschen dazubleiben, ist gleich ein sehr glückliches Reptil... und damit bist du gemeint, Miss Chamäleon. Willst du dein Leben ein bisschen aufpeppen? Na dann bitte, er ist deine Peperoni.«
»Ich hab absolut null Interesse an Spencer.«
»Nur weil er nicht angeblich jemanden umgebracht hat?«
»Okay, ich hab keinen Bock mehr auf diese Unterhaltung.« Ich rolle meinen Ton zu einer Kugel und lasse sie auf meine Arbeitsfläche fallen.
»Bitte«, sagt sie und trocknet sich die Hände ab. Sie wirft die Papierhandtücher auf den Boden, anstatt in den Mülleimer, sodass sie an ihrem Absatz klebenbleiben. »Ruf mich später an.«
»Mach ich«, sage ich und schaue ihr hinterher, wie sie die Rolle mit den Papierhandtüchern hinter sich herzieht, was mich total zum Lachen bringt.
15
Sie ist zu einer Sucht geworden und weiß es noch nicht einmal. Ein Teil von mir will, dass sie es weiß - will, dass sie mich dort draußen spüren kann. Wie ich sie beobachte. Was sie anzieht. Was sie isst. Und mit wem sie zusammen ist. Ich beobachte, wie sie morgens früh ihre Schlafzimmervorhänge öffnet. Und zur Schule geht. Und sich in der Stadt Nagellack kauff
Ich merke mir ihre Vorlieben - zum Beispiel für Salzbrezeln mit Joghurtglasur,blassrosa Lipglossund Kapuzensweatshirts mit großen Vordertaschen.
Und ich weiß, wann sie ins Bett geht, normalerweiseso gegen halb zwölf, gleich nachdem sie noch online gechattet hat, mit wem,kann ich leider nur raten.
Das ist das Üble daran - dass ich nicht ALLES über sie weiß, ganz gleich, wie sehr ich mich bemühe, Selbst wenn ich ganz nah dran bin, kann ich nicht immer kören, was sie in einem Grespräch sagt. Ich kann nicht immer ihre Lippen sehen, aus Angst, dass sie was merken könnte. Das würde alles kaputt machen.
Ich will mit ihr reden. Und manchmal reden wir auch miteinander. Aber nie sehr lange, und wir sagen nie irgendetwas Wichtiges.
Ich kann in ihrer Nähe nicht ich selbst sein. Ich kann mich nicht entspannen oder mich öffnen oder ihr die ganzen Bilder zeigen, die ich an die Wand gepinnt habe: Bilder von ihr am Strand, vor ihrem Haus, im Einkaufszentrum und in der Bäckerei in der Innestadt.
In der letzten Zeit hat sie mit allen möglichen Leuten geredet, auch mit welchen, mit deheh sie normalerweise gar nichts zu tun hat. Sie hat Fragen gestellt über etwas, das sie eigentlich gar nicht beschäftigen sollte, wovon sie noch nicht einmal etwas wissen sollte.
Grlücklicherweise hat sie das aber wiedergutgemacht. Wir sind uns neulich echt nahe gekommen. Oder sollte ich sagen, ich bin ihr echt nahe gekommen. Zuerst dachte ich, es macht sie nervös, aber dann kam es mir vor, als würde sie es irgendwie genießen. Weil sie nämlich nicht zurückgewichen ist.
Ich will ihr noch mal so nahe sein. Ich will sehen, wie weit sie mich lässt - wie sehr ich drängen muss, bis sie keine andere Wahl mehr hat, als mich wirklich nah an sie herahzulassen.
16
Es ist Montagnachmittag , und die letzte Schulstunde, Chemie, hat bereits
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