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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben wollen, Sie haben doch genügend Personal hier. Taschenlampen gibt es auch. Wir müssen Suchtrupps bilden, den Wald durchstreifen, jeden Baum, jeden Busch …«
    »Jeden Baum?« Pons sah ihn an. »Jeden Busch?«
    »Was denn sonst, verdammt noch mal? Was denn?!« schrie Tim.
    Doch Felix Pons hob nur die Hände. Sie waren leer.
    Todo para la patria – Alles fürs Vaterland. Tim las es auf einem gelbroten Blechschild, als er aus dem Wagen stieg. Darüber hing die gelbrote Fahne. Die Türe war von den Scheinwerfern beleuchtet, die an der Ecke des flachen Gebäudes angebracht waren.
    Tim kam in einen Korridor und betrat durch eine weitere offenstehende Tür den Wachraum der Guardia-Civil-Station. Er war groß und rechteckig und mit einer Schranke unterteilt. Tabakrauch hing in der Luft. An der Wand unter dem Licht der Neonröhren hing das Bild des Königs und der Königin. Auf den schmalen Fensterbrettern kümmerten ein paar Geranienstöcke. In dem Raum saßen drei Männer. Zu ihren olivfarbenen Kampfanzughosen trugen sie kurzärmelige Uniformhemden. Einer telefonierte, die anderen hatten die Köpfe dem Bildschirm in der Ecke zugedreht, in dem gerade eine Fernsehshow lief. Der Moderator, ein Typ in einem unmöglichen karierten Jackett, warf der langbeinigen, farbigen Pracht eines Revue-Balletts Kußhändchen zu.
    »Guten Abend«, sagte Tim.
    Niemand nahm ihn zur Kenntnis.
    Auch ein kräftiges buenas noches änderte nichts.
    Tim ließ den Blick über unordentlich verstreute Akten, Zeitungen, Aschenbecher, Plastikstühle, verschrammte Telefone bis hinüber zu dem Waffenschrank schweifen, in dem drei Sturmgewehre standen. Dann hob er die Faust und schlug sie auf das abgewetzte Holz der Barriere. – Nichts! Die Bigband im Fernsehen war lauter. Der Polizist am Telefon ließ seinen Drehstuhl kreisen, sah ihn kurz an und sprach weiter, ohne den Blick von seinem Notizblock zu nehmen. Endlich erhob er sich.
    »Por favor?«
    »Verzeihung … Spricht hier vielleicht jemand Deutsch? Vd, habla alemán?«
    Kopfschütteln. Friedliche, nußbraune Augen und ein Hängeschnauz.
    »Oder Englisch?«
    Der Ausdruck auf dem jungen Gesicht, ein Ausdruck vollkommener, beinahe überirdischer Geduld, änderte sich nicht. Der Guardia strich über den Schnurrbart und wandte den Kopf: »Brigada! Creo, que tenemos trabajo.« – Ich glaube, wir kriegen Arbeit. –
    Die Musik im Fernsehen steigerte sich zum Finale. Die Mädchen rissen die Beine hoch. Der Mann im karierten Hemd klatschte. Wer sonst noch »bravo!« schrie, war im Augenblick nicht von der Kamera erfaßt. Der Brigada mit den Feldwebelstreifen saß dem Gerät am nächsten. Er erhob sich jetzt, wuchs zu fetten ein Meter achtzig hoch, faßte mit Daumen und Zeigefinger den Hosenbund und strich sein Hemd glatt. Das runde, tiefbraun verbrannte Gesicht zeigte nichts als Das-auch-noch-Ergebenheit, und der Mund war sehr dünn.
    »Guten Abend. Was gibt's?«
    Er sprach Englisch.
    »Ich wollte eine Vermißtenanzeige aufgeben.«
    »Sie wollen was?«
    Das englische Wort für Vermißtenanzeige war Tim anscheinend mißlungen. Mit report my wife missing hatte er es versucht, aber der Mann kapierte nicht, glotzte. Oder doch?
    »Ihre Frau? Es handelt sich um Ihre Frau?«
    »Ja.« In Tims Kniekehle begann eine Sehne zu zucken.
    »Sie ist weg!«
    »Was heißt weg?«
    »Verschwunden!«
    »Ihr Name?«
    »Tannert. Tim Tannert.«
    »Geben Sie bitte Ihren Paß.«
    »Den Paß?«
    »Was sonst?« Der Guardia-Civil-Mensch schielte über die Schulter zurück zum Fernsehschirm. Werbepause. Eine Katze spielte mit einer Futterdose Fangen. Dem Dicken schien dieser Anblick die Arbeit nicht leichter zu machen. »Was sonst?« wiederholte er mit demselben Ton unbesiegbarer Geduld, den er sich anscheinend im Umgang mit Touristen zugelegt hatte. »Und den Ihrer Frau.«
    Tim wischte mit dem Handrücken die Haare aus der brennenden Stirn. So stickig hier drin! Der Schweiß rann ihm an der Nase entlang. »Ich habe ihn nicht dabei. Wissen Sie, ich bin in aller Eile aufgebrochen. Ich bin auch völlig durcheinander. Sie verstehen das doch?«
    »Sie haben den Paß also nicht dabei?«
    Wie in einem Examen! Und die Examens-Panik brachte auch den Einfall: »Er liegt im Hotel. Ich habe versäumt, ihn zurückzuverlangen. Die Hotelleitung hat ihn einbehalten.«
    »So? Die Hotelleitung? Wo wohnen Sie denn?«
    »Formentor. Hotel Formentor.«
    Eines zumindest bewirkte der Name ›Formentor‹: Der Mann wurde aufmerksam. Auch der Junge am

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