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Tödliches Paradies

Tödliches Paradies

Titel: Tödliches Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vollkommen undenkbar. Ausgeschlossen!
    »Vielleicht hatte er sie gezwungen, mit ihm zu gehen«, schrie die alte Dame gegen den Fahrtwind an.
    »Und wie gezwungen?«
    »Erpreßt. Irgendwie halt. Was weiß ich?«
    »Und wie hat er sie überhaupt gefunden?« brüllte Tim zurück. »Gibt's da auch eine Erklärung in deinem Hobby-Detektivgehirn?«
    »Tim, für alles gibt's Erklärungen. Hinterher nämlich. Du wirst sie schon noch kriegen.«
    »Und wie?«
    »Das weiß ich auch nicht. Hier geht's um Kombinationen. Um das uralte Spiel mit Annahmen und Logik.«
    Ein sehr lustiges Spiel – wollte er sagen; er sagte es nicht. Er biß die Zähne zusammen. Er hatte den Dialog satt. Vielleicht nahm sie dasselbe an. Alles, was er dachte, war im Grunde undenkbar: Daß nämlich Melissa Fischers Adresse bereits kannte, als sie abflogen. Und daß sie ihn schon vorher, noch vom Tegernsee aus, von ihrer Ankunft benachrichtigt hatte.
    Wie denn sonst, Herrgott noch mal, hätten sie sich treffen können …?!
    Er war verrückt. Und es war nicht der Unfall, der ihn zum Psychopathen gemacht hatte. Er war es bereits zuvor, mit seinem menschenverachtenden Größenwahn, seiner Art, sich als Mittelpunkt der Welt, als Maß aller Dinge zu sehen. Und verrückt war er sicher auch bei seiner Arbeit gewesen, diesem ewigen Herumspielen mit Stoffen, die nur eines bewirkten, die Seele des Menschen zu verändern. Vielleicht hatte er ihnen die eigene geopfert?
    Wieder zogen sich die Hände zusammen. Und bei ihr kehrte die Angst zurück, als sie beobachtete, wie er mit der Kommandokonsole des Stuhls spielte. Er ließ den Rollstuhl kreisen, bis er mit einem Ruck vor ihr stoppte. »Daß wir uns wiedertrafen, mein Herz, eine Art Wunder. Ich will dir was sagen: Ich hab' vor kurzer Zeit einen dieser unsäglichen amerikanischen TV-Krimis gesehen. Ein Paar, das sich trennte, trifft sich wieder. Und natürlich erkennen sie in diesem Augenblick, daß diese Trennung der entscheidende Irrtum ihres Lebens war. Aber wo treffen sie sich. Im World-Trade-Center in New York. Und der Mann realisiert im ersten Augenblick gar nicht, was ihm geschieht. Sie, im Schock, läuft weiter, rennt zum Lift und verschwindet. Da wacht er auf, zerschlägt einen Sicherungskasten und bringt den Lift zum Stoppen. So ging's mir. Ich hab' den Lift angehalten.«
    Sie nickte nur. Ganz freundlich, als erzähle er irgendeine selbstverständliche Geschichte. Sie brauchte alle Kraft, um vor dem Fieber in diesen Augen gelassen zu wirken.
    »Die beiden haben sich in einem Hochhaus getroffen, in dem täglich Zehntausende von Menschen verkehren. Und sie kamen aus verschiedenen Ländern nach New York. Ein absolut blöder Einfall, nicht wahr? Solche unglaublichen Zufälle sind nun mal nicht vorgesehen. Und was passiert mir? – Das gleiche! Seit vier Tagen, seit der Sekunde, in der ich dich zum ersten Mal wieder gesehen habe, glaube ich wieder an Wunder.«
    Sie nickte nur. Noch nie in ihrem Leben hatte sie die Flaumhärchen in ihrem Nacken gespürt, nun spürte sie sie.
    Und er, er sah sie an mit diesem schrecklichen Blick und sprach von Wundern.
    Erneut begann der Rollstuhl leise zu summen. Er hob die Hand. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war eine Decke über seine Beine gebreitet. Nun steckten sie, zwei dünne, bräunliche Knochen, in viel zu weiten Shorts. Er lächelte.
    »Komm, ich muß dir was zeigen …«
    Der Rollstuhl fuhr voran, und sie folgte mit einem Gefühl der Benommenheit, das sich bei jedem Schritt verstärkte. Er öffnete eine der Terrassentüren, sie kamen durch einen kleinen Vorraum, wieder eine Türe und nun – sein Arbeitszimmer wohl? Die Jalousien waren geschlossen, nur durch einzelne Ritzen drang Sonnenlicht herein. Es war so dämmrig, daß sich ihre Augen erst daran gewöhnen mußten. Richtig! Ein Schreibtisch. An den Wänden Bücherregale. Eine Wand war frei, und darauf zeichnete sich das Rechteck eines großen Bildes ab.
    Fischer drückte auf einen der Knöpfe an seiner Steuerkonsole. Deckenlampen tauchten den ganzen Raum in Helligkeit.
    »Nun …« Er hatte sich vor das Bild gerollt: »Nun, mein Herz, was sagst du?«
    Was sollte sie sagen? Durch ihr Gehirn zogen vage Worte und Gedanken, flüchtig wie Nebelschwaden. Das Bild – wie kam er auf einen solchen Einfall? Und es hing die ganze Zeit vor ihm, ihm gegenüber, wann immer er hinter dem Schreibtisch saß, mußte er es ansehen.
    Das Bild zeigte eine Frau, deren nackter, schmaler, weißer Körper fast bis zu den

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